Es wird Dich rufen (German Edition)
und warst im ewigen Herz des Spiegels. Verstehst du jetzt, was den Teufelsstuhl zu einem Kultplatz gemacht hat?«
»Ich hatte eine Vision?«
»Eine sehr lebendige!«, bestätigte der Großmeister und deutete auf die leicht angeschwollene Hand Mikes. »Tut´s noch weh?«
»Ein bisschen«, räumte Mike ein. »Ist aber nicht so schlimm!«
Mike erhob sich und gab dem Großmeister das Pergament zurück.
»Ich denke, ich brauche es nicht mehr.«
»Dann weißt du es?«
»Ja!«, sagte Mike. »Es schien, als hätte es zu mir gesprochen.«
»Das bedeutet, dass das Pergament dich als den neuen Wächter akzeptiert hat. Sonst hätte es dir nicht den Weg zum Heiligen Gral gewiesen. Es kommuniziert nur mit dem Auserwählten. Für alle anderen bleibt seine wahre Botschaft auf ewig im Dunkeln.«
»Ist das so?«, fragte Mike verwundert. »Aber wieso wollen die anderen dann unbedingt diese Dokumente haben, wenn sie doch sowieso nichts damit anfangen können? Das ergibt doch keinen Sinn!«
»Es gibt immer zwei Wege, ein Ziel zu erreichen: einen richtigen und einen falschen. Du hast die Botschaft so erhalten, wie es von Anfang an bei allen Auserwählten vorgesehen war. Der General dagegen wollte es mit Schwarzer Magie versuchen.«
»Und das hätte geklappt?«
»Es wäre eine Art symbolischer Vergewaltigung der Reinheit und der Wahrhaftigkeit des Grals gewesen, aber ja; theoretisch ist dies leider möglich.« Der Großmeister schaute auf die Uhr. Es war halb sieben.
»Lass uns ins Hotel zurückkehren«, sagte er. »Mir ist nach einem guten Frühstück.«
»Mit einem knusprigen Croissant«, sagte Mike. »Darauf freue ich mich jetzt auch.«
Freundschaftlich legte der Großmeister seinen Arm um Mike, als sie den Weg zurück zum Parkplatz nahmen. Er wollte ihm in den nächsten Tagen – bis zur Schwarzen Sonne – ein wenig Ruhe gönnen. Ihr Schützling war nun endgültig für den großen Tag vorbereitet, wenn sich im Tempel des Allerheiligsten sein Schicksal erfüllte.
57
Mike schaute auf den Kalender.
Der Tag der Sonnenfinsternis war endlich gekommen. Der Tag, an dem sich das weitere Schicksal der Menschheit entscheiden sollte. Der Tag, vor dem Nostradamus seine Nachfahren schon vor Jahrhunderten gewarnt hatte. Und doch schien alles noch so friedlich zu sein.
Mit Feline hatte er die letzten Tage in einem Hotel am Mittelmeer nahe der spanischen Grenze verbracht, um sich abzulenken.
Ganz war ihm das jedoch nicht gelungen. Seine Gedanken kreisten immer wieder um den schicksalshaften Moment, der ihn erwartete. Zuletzt war es eine Mischung aus Lampenfieber und Versagensangst, die ihn geplagt hatte.
Feline tat in diesen Momenten ihr Bestes, ihn zu beruhigen.
Ihrem Vater hatte sie ausrichten lassen, dass sie zurück nach Rennes gehen würde. Zurückhalten lassen wollte sie sich von ihm nicht – zumindest sollte er das glauben. Der General hatte die Entscheidung hinnehmen müssen.
Mit dem Großmeister, der als einziger wusste, wo sich die beiden aufhielten, hatte Mike nur noch ab und an gesprochen. Stein selbst war für wenige Tage noch einmal nach Deutschland zurückgeflogen, weil er sich mit seinem Stellvertreter treffen und ihn darauf vorbereiten wollte, sollte er nicht mehr zurückkommen.
Der Ausgang des Rituals war nicht vorherzusehen. Das wusste der Großmeister – bei allem Optimismus, der ihn erfüllte. Erst an diesem Tag würde sich zeigen, ob ihre Bemühungen ausreichen würden, gegen den General zu bestehen.
Mikes Handy klingelte, als er gerade vor dem Spiegel stand und seine Haare föhnte. Es war der Großmeister.
»Ich habe deinen Anruf schon erwartet«, begrüßte ihn Mike, nachdem er das Gespräch entgegengenommen hatte. »Ich bin gewappnet für den großen Tag.«
»Das ist schön«, bemerkte der Großmeister. »Sei bitte in genau zwei Stunden bei mir in der Villa Bethania. Und bring Feline mit.«
Fast auf die Sekunde genau hatte sich der Journalist an die Zeitvorgabe des Großmeisters gehalten. Doch obwohl Mike und Feline sogar etwas früher bei ihm aufgetaucht waren, schien der Großmeister bereits ungeduldig auf die beiden zu warten.
»Wir haben nicht mehr viel Zeit«, sagte der Großmeister. »Es hängt viel – nein – es hängt alles vom heutigen Tage ab.«
Der Großmeister führte Mike auf die Aussichtsplattform des Tour Magdala. Feline wartete derweil im Garten.
Von hier oben hatten sie freie Sicht auf den heiligen Berg der Region: auf den Pic de Bugarach. Doch nicht auf ihn zeigte der
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