Eselsmilch
Augen
geworden – aber nicht weil es so stockdunkel war in der Gasse.«
»Womit
hast du eigentlich
zugeschlagen?«, murmelte Fanni.
»Ich
habe einen Ziegelstein …«
Fanni
hörte nicht mehr, wie Sprudel erzählte, er habe einen losen Stein ertastet und
als Waffe benutzt. Sie war bereits eingeschlafen.
Sprudel
hüllte sie in ihren Daunenschlafsack, überlegte einen Moment, holte dann die
Bettdecke, die sie in den Schrank gesteckt hatten, und breitete sie locker über
dem Schlafsack aus. Dann küsste er seine schlafende Fanni zärtlich und sehr
sanft auf die Lippen, betrachtete sie noch eine Weile, wobei sich so etwas wie
Wehmut in seine Miene schlich, und streckte sich schließlich in seinem eigenen
Schlafsack neben ihr aus.
5
Am
Morgen weckte sie der Muezzin. »Allah u Akbar, Allah u Akbar. Ash-hadu al-la
Ilaha ill Allah …«
Fanni
blieb mit geschlossenen Augen liegen. Die Schmerzen in Arm und Schulter waren
noch da, fühlten sich aber viel erträglicher an als am Abend zuvor.
Vielleicht
sind sie bloß noch nicht ganz wach!
Nach
einiger Zeit hob Fanni den Kopf und sah auf den Wecker auf ihrem Nachttisch:
kurz vor halb fünf. Erleichtert ließ sie sich zurücksinken. Noch zwei Stunden
Ruhe, zwei Stunden Behaglichkeit, bequem ausgestreckt und angenehm
schlaftrunken.
»Wie
fühlst du dich?«, flüsterte Sprudel.
Sie
streckte den unverletzten Arm zu ihm hinüber und spürte gleich darauf seine
Hand in ihrer.
»Leidlich«,
antwortete sie, »verhältnismäßig gut sogar. Und du?«
»Abgesehen
von einem fiesen Pochen in der rechten Schulter ganz passabel«, erwiderte er.
Fanni
rückte sehr vorsichtig (um die Schmerzen im Arm nicht doch noch auf den Plan zu
rufen) näher zu ihm hin. Sprudel öffnete den Reißverschluss seines Schlafsacks
und rutschte zur Seite. Sie schälte sich aus dem ihren, kroch zu ihm und zog
den leeren Schlafsack als Federbett über sie beide. Die Zudecke, die Sprudel
aus dem Schrank geholt hatte, war im Lauf der Nacht auf den Boden gerutscht.
Gleich
am ersten Abend hatten Fanni und Sprudel das hoteleigene Arrangement aus
muffiger Wolldecke und straff gespanntem Laken vom Bett entfernt, hatten ihre
Schlafsäcke ausgepackt, darin geschlafen und entschieden, das auch die
folgenden Nächte beizubehalten.
Eine
ganze Weile lagen sie schweigend nebeneinander auf dem Rücken, die Gesichter
einander zugewandt.
Sprudel
küsste sie auf die Nasenspitze. »Keine Abkürzungen durch dunkle Gassen mehr.«
»Der
Kerl muss uns beobachtet haben«, sagte Fanni. »Und als er merkte, wo wir
einbiegen würden, hat er uns überholt und uns in dem finsteren Torweg
aufgelauert.«
»Er
muss uns beobachtet haben …«, wiederholte Sprudel nachdenklich.
Fanni
sah ihn irritiert an.
Da
fügte Sprudel hinzu: »Wenn er uns beobachtet hat, dann muss er doch gesehen
haben, dass du keine Handtasche dabeihattest. Weshalb hat er dann dich gepackt?
Ist es – gerade bei älteren Paaren – nicht am wahrscheinlichsten,
dass der Mann Geld und Kreditkarte einstecken hat?«
Fanni
wollte nicken, ließ es aber bleiben, weil Sprudel schon beim ersten Anzeichen
dafür zusammengezuckt war. Anscheinend schmerzte seine Schulter bei der
kleinsten Erschütterung, weswegen sich sein Körper schon bei der Aussicht
darauf anspannte.
»Der
Bursche hat wie besessen an dir gezerrt«, sagte er.
Fanni
brachte ein Grinsen zustande. »Meinst du, er wollte mich entführen und als
Konkubine an einen Wüstennomaden verkaufen? Bin ich dafür nicht ein bisschen zu
alt?«
Sprudel
sah sie ernst an. »Er hatte es auf dich abgesehen, Fanni.«
Sie
schwieg und rührte sich nicht.
»Ich
habe mir den Ablauf wieder und wieder vor Augen geführt«, insistierte Sprudel.
»Versuch doch selbst, dich zu erinnern.«
Das
wollte Fanni nicht.
Ah,
Fanni Rot beliebt zu kneifen!
»Ich
hatte von Anfang an das Gefühl, dass es nur um dich ging, Fanni«, sprach
Sprudel weiter. »Deshalb habe ich, als ich zu Boden gestürzt bin, dafür
gesorgt, dass du unter mir zu liegen kamst. Und was ist dann geschehen?«
Fanni
wusste es genau.
Was
sich daraufhin abgespielt hat, lässt sich kaum bestreiten, auch wenn du es
nicht wahrhaben willst.
»Er
hat sich in meinen Haaren verkrallt und wollte unbedingt meinen Kopf unter dir
hervorzerren«, murmelte Fanni.
»Und
wozu?«, fragte Sprudel.
»Das
wissen wir nicht«, lehnte sich Fanni gegen die Antwort auf, die der Logik
Genüge getan hätte.
»Wir
wissen es nicht«, wiederholte Sprudel, »aber wir können
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