Eskandar: Roman (German Edition)
mit Münzen.
Eskandar springt auf und schwingt sein imaginäres Schwert, als er erzählt, wie der heilige Prophet persönlich in Kerbela den vierzig heidnischen Göttinnenstatuen die Köpfe von den Schultern geschlagen und stattdessen seine eigene heilige Religion verkündet hat. Eskandar hebt die Hände zum Himmel und ruft: All jene, die an den einzigen und allmächtigen Gott, an den Propheten und den verborgenen zwölften Emam und dessen Rückkehr sowie an die Schlacht und den Sieg glauben, erhebt euch.
All-allah o wa aale wa sallam, rufen die Männer mit einer Stimme, dass das Tal bebt. Sie strecken ihre Schwerter, Stöcke oder auch nur Fäuste in die Luft, und Eskandar bekommt eine Gänsehaut.
Zum ersten Mal fühlt er sich wichtig, aber es ist mehr als das: Eskandar erfährt, dass selbst ein unbedeutender kleiner Mensch wie er, der aus einem Dorf ohne Namen kommt, etwas hat, was er anderen geben kann.
Als sie die Berge hinter sich lassen und die Salzwüste erreichen, liegen Tage und Wochen voller Hitze und Staub vor ihnen. Und dann eines Morgens, gerade als die Sonne den Horizont emporsteigt, tauchen zwei Türme auf. Wie zwei Arme recken sie sich in den Himmel.
Manche Männer lassen sich auf die Knie fallen und beten in Andacht, andere treiben ihre Pferde an, um schneller bei ihnen zu sein.
Das sind die Minarette der Schah-Moschee. Du wirst es selbst erleben, sagt der Mullah, nirgendwo sonst ist man Gott näher, wenn man sein Gebet spricht.
Und wer Esfahan, den Platz der Welt und die Brücke mit ihren dreiunddreißig Bögen und Kuppeln gesehen hat, sagt Hodjat, der muss nicht mehr weit reisen, denn Esfahan ist die halbe Welt.
Große Könige haben hier geherrscht, und viele Völker haben ihr Wissen und ihre Erfahrung hinterlassen, sagt der Khan.
Die schönsten aller Teppiche und Töpferwaren, aller Malereien, Stoffe und Hölzer werden hier hergestellt, schwärmt Hodjat.
Und in den Badehäusern der Stadt gibt es die besten aller Dallack, schwärmt der Akhund, schiebt seinen Turban zur Seite und kratzt sich am Kopf. Sie schrubben und rubbeln deine Haut so lang, kneten und reiben deine Muskeln so fest, dass du danach das Gefühl hast, neugeboren zu sein, sagt er und treibt seinen Esel an.
An diesem Abend sind alle, ob Reiter oder Bauer, ob Alt oder Jung, aufgeregt. Eskandar hat ein leichtes Beben in der Stimme, die Männer verdoppeln freiwillig die Wachen. Heftiger denn je, bis zur Ekstase spielen sie auf ihren Trommeln und Instrumenten, singen und tanzen sie um ihre Feuer, als wären sie nicht im freien Feld, sondern im Zurkhane in ihrem Viertel, wo sie ihre Kraft trainieren. Mit Übungen und Ritualen kräftigen sie ihre Körper. Sie heben Gewichte; machen Liegestützen; drehen sich wie Derwische um die eigene Achse; lassen den eisernen Bogen mit seinen rasselnden Ketten rhythmisch und kraftvoll über ihre Köpfe kreisen; liegen auf dem Rücken und heben die Schilde aus Eichenholz; schwingen ihre schweren Keulen, werfen sie in die Luft und fangen sie wieder auf. Der Morsched gibt auf der Trommel den Takt für ihre rhythmischen Übungen und Bewegungen vor, und Eskandar zählt laut mit und läutet mit der Glocke die jeweils neue Runde ein.
Der Einzug der Truppe in Esfahan gleicht einem Fest. Lange bevor sie die Tore der Stadt erreichen, kommen ihnen Männer mit und ohne Waffen, manche nur ausgestattet mit Stöcken, Schaufeln und Heugabeln, entgegen, bejubeln die Kämpfer und schließen sich ihnen an.
Eskandar und andere Laufburschen, die Köche, die Hakim und ihre Helfer, die einfachen Schlepper und ein paar Morsched, die für den Kampf zu alt sind, bleiben vor den Toren der Stadt zurück. Dann und wann trägt der Wind die Schreie der Männer, das aufgeregte Wiehern der Pferde, das Zusammenprallen der schweren Schilde, die Schüsse der Gewehre, das Krachen und Poltern der Kanonen und ihre Einschläge hinter die Mauern der Stadt ins Lager. Und es dauert nicht lang, da werden die ersten Verwundeten zum Hakim gebracht.
Eskandar kneift die Augen zusammen, um das Blut, die abgeschlagenen Hände und durchbohrten Rümpfe nicht zu sehen, und er hält sich die Ohren zu, um die Schreie der Männer nicht zu hören. Manche sind schwer verletzt und müssen im Lager bleiben. Andere sterben. Ein paar Männer lassen sich die Wunden versorgen, trinken, essen und kehren gleich wieder zurück in die Schlacht.
Eskandar bringt den Verwundeten frisches Wasser, Essen, Tee und Salben. Er versorgt Pferde, fegt Zelte,
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