Esti (German Edition)
verwandt sind, denn die Güte, Weisheit und Gerechtigkeit unseres großen Königs durchdringen, siehe da, die Welt, sogar der Türkenpascha überlegt es sich, ob er eine neuerliche intrigante List, listige Intrige einfädelt, lieber sagt er zu Mátyás, Gevatter, solange der Türke Türke bleibt und der Ungar Ungar (bleibt), wird der Türke stets in der Schuld des Ungarn sein, und die Welt erzählt sich, dass die Schuld bis auf den heutigen Tag nicht getilgt ist, es gibt jedoch niemanden, der das Geld nimmt, so dass es auf einen Wagen gepackt und ans Ende der Welt verfrachtet wird, und sogar den walachischen Woiwoden Estefán nahm Mátyás in sein Schwarzes Heer auf und der wurde einer seiner tapfersten Soldaten, und sogar die Magnaten kehrten auf den rechten Weg zurück – auf diese Grübeleien, Erwartungen, Hoffnungen, diesen ganzen enormen Glauben und diese Zuversicht, die aus der beträchtlichen Nase des großen, schönen Königs vor uns hin tropfen, wirft es, wenn es sie auch nicht untergräbt, so doch einen Schatten, dass diese Anekdotenwelt jeder Grundlage entbehrt.
Mátyás lebt, die Gerechtigkeit ist dahin.
Mit der lückenhaften Legendenindustrie haben die italienischen Speichellecker Bonfini und Marzio begonnen, die zwar auch regionale Traditionen aufpickten – ihr Beruf! –, dem großzügigen Mäzen aber maßgeblich die Stereotype der »Principe«-Literatur der Renaissance überstülpten. Diese Geschichten mit dem weisen, geistreichen Herrscher im Mittelpunkt waren gut hundert Jahre später bis zum gemeinen Adel hinabgesickert, als die Erinnerung an die schonungslosen Steuern und den jeden unterdrückenden Tyrannen schon verblasst war und die Blütezeit von Mátyás’ Herrschaft vom Elend des in drei Teile zerbrochenen Landes aus betrachtet in idyllischem Licht erstrahlte. Von da an wurde die Erinnerung an Mátyás’ Zeit als Hochzeit des nationalen Königtums (Zrínyi schrieb ein ganzes Buch in diesem Geist) Teil der adligen Ideologie (das hätte ich auch schöner sagen können!).
Ich bemühe mich, mit geradem Rücken am Schreibtisch zu sitzen, scherzhaft – was für ein Scherz! – ausgedrückt, aufrecht, dazu haben die Experten geraten, so beuge ich mich beim Schreiben mal über mein Heft (um dem Satz näher zu kommen?, oder nur der Tinte?), mal sitze ich steif da wie ein hochmütiger Sonntagsfahrer in seinem Cabrio, seien wir realistisch, in seinem zum Cabrio umfunktionierten Trabant (wo ist der nur hin?! – na hier!, das heißt, er ist da und auch nicht, seine Straßenlage, seine Beschleunigung ist, egal wie, noch immer ausgezeichnet, dies jedoch sollte nicht zum Leichtsinn verführen), und mal verbinde ich beides zur größeren Wonne meiner Bandscheiben, doch egal wie, ich sehe dann nichts als mein Heft – das Viereck des Hefts als die Welten, rums!, wieder ein welthaftes Viereck! –, dennoch bemerkte ich, wie die Tür sich öffnete, woraufhin ich mich noch tiefer über mein Heft beugte, vielleicht würde das die Bewegung der Tür rückgängig machen, denn die adelige Tradition sickert, bleiben wir doch endlich beim Sickern, im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert (und das ist der dritte Schritt) weiter hinein in die Kreise des Volkes, als der große Tyrann schon als Unterdrücker der Feudalherren erscheint und das Volk ihm die komplette Goldmontur des »guten Königs«, der die bösen Herren zügelt, anziehen kann.
Ich murmelte vor mich hin, die komplette Goldmontur, denn gewöhnlich spreche ich die zu schreibenden Sätze laut vor mich hin, meine langsam ins Zimmer tretende oder eher selbstvergessen hereintaumelnde Frau hingegen sagte mit dem Telefon in der Hand, aber wie konnte das passieren, aber wie konnte das passieren, und blickte mich dabei an, als sagte sie zu mir, fragte mich, wie das passieren konnte.
Aber ihr Gesicht! Ich gehe zum Gedankenstrich über – – – statt Pünktchen Pünktchen Pünktchen – – – Celine, Gombrowicz – – – ich kann die drei Punkte nicht ausstehen – – – dabei ist es vielleicht dasselbe – – – Keuchen – – – ihrem Gesicht war anzusehen, dass es ein Problem gab – – – ein großes Problem – – – ein exorbitantes Problem – – – sie wurde grau, oder bleich – – – aber was konnte es am Vormittag für ein Problem geben? – – – aus irgendeinem Grund klammerte ich mich an den Vormittag – – – vielleicht war der Fernseher kaputtgegangen? – – – für immer kaputt – – – oder die Ameisen –
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