Eternal Riders: Limos (German Edition)
weiterzutrinken, wenn er sich doch am liebsten übergeben hätte.
Weiße Punkte schwebten vor seinen Augen, und Dunkelheit umzingelte ihn, saugte ihn in einen wirbelnden Vortex des Vergessens.
Und dann war er allein. Er lag auf dem Boden. Der enge Tunnel erschien ihm völlig fremd, und die Decke war so niedrig, dass sich ein Mann von durchschnittlicher Größe ducken müsste, um hindurchzugehen. In die erstickende, versengende Hitze mischte sich eine kühle Brise. Na ja, vielleicht nicht direkt kühl . Eher eine etwas weniger glühende Brise.
Augenblick mal … was war passiert? Wie war er hierher gekommen? Warum war er nicht in seiner Zelle?
Egal. Er musste die Quelle dieser Brise finden. Er versuchte, auf die Füße zu kommen, aber sie gehorchten einfach nicht. Nichts unterhalb seiner Taille gehorchte. Vermutlich sollte er jetzt in Panik ausbrechen, aber sein Verstand war genauso taub wie sein Unterkörper.
Die Brise lockte ihn so sehr, dass er sich auf den allerletzten Rest Energie besann, die noch in seinem geschundenen Körper war, die Finger tief in die schwarze Erde grub und sich in Richtung frische Luft vorwärts zog. Hitze versengte ihn. Dampf und Rauch verbrannten seine Augen, und seine Fingernägel rissen ein. Aber in der Ferne tauchten winzige Lichtpünktchen auf, die ihm Hoffnung gaben und den Willen, weiterzumachen.
So zog er sich vorwärts, eroberte sich stöhnend jeden Zentimeter Fortschritt, bis er sich endlich, o du lieber Gott, endlich, am Abgrund zwischen Hölle und Erde fand.
Dann erst, als er in den weit aufgerissenen Schlund eines gewaltigen, brodelnden Vulkans blickte, wurde ihm klar, dass sich nichts verändert hatte. Er war der Hölle entkommen, um in einer anderen Hölle zu landen: der Hölle auf Erden.
Der Höllenschlund am Vulkan sah für Limos genauso aus wie zu dem Zeitpunkt, als sie ihn abgesucht hatte. Schwärzlich. Dampf wehte darauf zu, obwohl er zum größten Teil von der Luft abgelenkt wurde, die aus Sheoul kam.
Kynan hatte sie begleitet, war zusammen mit ihr direkt aus Ägypten durch ein Höllentor gekommen. Sie konnte die ganze Zeit nur an die Gewinnquoten denken, die sie gesehen hatte. Die Dämonen, die das Glücksspiel der Unterwelt – und inzwischen auch der Oberwelt – beherrschten, waren geradezu unheimlich akkurat, und die Tatsache, dass sie darauf setzten, dass Arik innerhalb einer Stunde tot sein würde, verhieß ganz und gar nichts Gutes.
»Wo ist der Eingang?«, fragte Kynan, der sich vorsichtig einen Weg über ein Feld zerklüfteter Felsen bahnte.
Sie ruckte kurz mit dem Kopf zu der schimmernden Blase, die sich über ein klaffendes Loch in der Bergflanke erstreckte. »Genau da. Lass uns gehen.«
Gerade als sie sich in Bewegung gesetzt hatte, ließ ein gequältes Stöhnen sie innehalten. Sie wirbelte herum, und ihr Blick fiel auf einen Riss in der Erde, nur wenige Meter vom Eingang zum Tunnel entfernt. War das … eine Hand? Ja. Sie sprang über Steine, so scharf wie Glasscherben, zu der Hand, aus der bald ein Arm wurde – dann wurden ein Oberkörper und ein Kopf sichtbar. Ihr Herz drehte durch.
Arik.
Du liebe Güte. Ihr Mund war so trocken, dass sie nicht schlucken konnte, als sie sich neben ihm auf die Knie fallen ließ. Sie hatte in ihrem langen Leben schon viel gesehen, aber der Anblick dieses Mannes, der so stark gewesen war, vor Gesundheit strotzend … und der nun nur noch ein Schatten seiner selbst war, mit zerfetzter Haut, von der Hitze mit Blasen überzogen und von der Asche geschwärzt … bei diesem Anblick zog sich alles in ihr zusammen. Auf ihrem Arm bäumte sich Bones beim Geruch von Ariks Blut auf.
»Arik«, flüsterte sie. »Ich bin’s, Limos.«
Kynan trat hinter sie, und sein gemurmeltes »O Gott« hallte durch den Krater. Er hockte sich sofort neben Arik und hielt ihm zwei Finger an die Kehle, während er sich vorbeugte, sodass seine Wange gleich über Ariks Mund lag. »Er atmet noch. Der Puls ist unregelmäßig. Wir müssen ihn ins –«
Kynan sprang auf die Füße, von einem ganzen Schwarm Dämonen aufgeschreckt, die aus dem Eingang des Höllenschlunds strömten. Er zog sein S’teng und wandte sich zu ihr um. »Geh! Nimm Arik mit!«
Limos widersprach nicht. Sie öffnete ein Höllentor und hob Arik auf, überrascht von seinem Gewicht. Er war zwar abgemagert, verfügte aber immer noch über eine gewisse Muskelmasse; dazu war es ihm irgendwie gelungen, mehr Fleisch auf den Knochen zu behalten, als sie erwartet hatte.
Ein Pfeil
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