Eternally - Cach, L: Eternally
erklären, warum du den Unterricht schwänzt in einem Fach, in dem du zuletzt eine Fünf geschrieben hast?«
Caitlyn zuckte zusammen. »Ich habe nicht gut geschlafen«, sagte sie leise.
»Du bist lange aufgeblieben und auf der Couch im Großen Salon eingeschlafen. Vielleicht wäre es eine geeignete Lösung für dein Problem, wenn du zu einer normalen Uhrzeit in deinem eigenen Bett schlafen würdest.«
»Das wäre es nicht«, sagte Caitlyn bestimmt.
Madame Snowes rechte Augenbraue hob sich einen Zentimeter. »Aha?«
Caitlyn presste die Hände zusammen und überlegte im Stillen, wie viel sie der Schulleiterin erzählen sollte. Wenn sie an der Schule bleiben wollte, würde sie vielleicht mehr erzählen müssen, als ihr recht war. »Sie wissen, dass ich diese kryptomnesischen Träume habe, aber ich habe Ihnen nicht erzählt, dass ich auch Albträume habe.«
Madame Snowes dunkle Augen blickten interessiert. »Tatsächlich? Erzähl mir davon.«
»Sie haben angefangen, als ich ungefähr zwölf war, und sind immer schlimmer geworden.«
Madame Snowe lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und legte ihre weißen, langfingrigen Hände in den Schoß. »Fahre fort.«
Caitlyn erzählte von den Kreischern, wobei Madame Snowe die ganze Zeit nickte.
»Hast du auch Albträume von etwas anderem als von diesen Kreischern?«
Caitlyn konnte gleichsam spüren, wie sich hinter ihr der Blick von Biancas gemalten Augen in sie hineinbohrte. »Eigentlich nicht.«
»Und was ist mit deinen anderen Träumen, den kryptomnesischen? Du hast mir nicht davon berichtet. Hast du hier welche gehabt?«
»Ich hatte welche, die hier im Château spielten, aber ich glaube nicht, dass irgendetwas Wahres an ihnen ist«, sagte sie ausweichend. Sie wollte mit Madame Snowe nicht über Raphael sprechen. Es wäre zu peinlich, zu verraten, dass sie sich womöglich einen Freund ausgedacht hatte. »Ich führe aber ein Traumtagebuch, damit ich mich an sie erinnern kann.«
Madame Snowe nickte. »Gut. Was passiert in diesen Träumen, die in der Burg spielen?«
»Nicht viel. Ich habe dieses Zimmer gesehen«, brachte Caitlyn langsam vor und hoffte, damit Madame Snowes Neugier zu befriedigen. »Nur war es vor sehr langer Zeit. Dort drüben stand ein Bett mit dunkelblauen Vorhängen«, sagte sie und deutete zu einem Ende des Raums, »und über dem Kamin hing ein seltsames Gemälde von einem Mann mit einem Gesicht aus brennenden Holzscheiten und Kerzen. Es hieß Feuer .«
»Aha.« Madame Snowe lächelte. »Das war ein Arcimboldo.«
»Wie bitte?«
»Giuseppe Arcimboldo, Hofmaler des Heiligen Römischen Kaisers in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Er hat eine Reihe von sehr bekannten Porträts gemalt, die sich aus Gegenständen zusammensetzen: zum Beispiel einen Bibliothekar aus Büchern, einen Gärtner aus Gemüse und so weiter. Feuer gehört zu einer Serie mit Darstellungen der Elemente.«
Caitlyn blinzelte überrascht. Das Gemälde gab es wirklich? »Wahrscheinlich habe ich das Bild mal im Internet gesehen.«
»Schon möglich. Vielleicht findet aber auch etwas Interessanteres als Kryptomnesie statt, wenn du träumst.«
»Was zum Beispiel?«, fragte Caitlyn, wachsam, aber neugierig.
»Ich brauche etwas mehr Informationen, bevor ich Vermutungen anstellen kann. Kannst du mir noch mehr erzählen?«, bedrängte die Schulleiterin sie.
Caitlyn hatte das seltsame Gefühl, dass Madame Snowe in ihren Kopf eindrang und sachte Türen aufstieß, die sie lieber geschlossen halten wollte. »Äh … «
»Du kannst mir doch noch mehr erzählen, oder?«
Wieder war es, als würde etwas aufgestoßen, diesmal mit mehr Nachdruck. Caitlyns Mund öffnete sich, bevor sie es verhindern konnte. »Ich habe von Bianca geträumt«, sagte sie.
Madame Snowe lächelte warm, und der Druck ließ nach. »Tatsächlich?«
Caitlyn verzog das Gesicht. »Vielleicht träume ich gerne von Gemälden, die über Kaminen hängen.«
»Erzähl mir, was du geträumt hast.«
Caitlyn zögerte.
Madame Snowe wartete, und währenddessen verstärkte sich der Druck in Caitlyns Kopf wieder.
Caitlyn rutschte auf ihrem Stuhl herum. Madame Snowe war als Vertraute ziemlich bedrängend und unheimlich. »Bianca zerrte mich durch die Dunkelheit zu einem Scheiterhaufen, und dann wurde ich an den Pfosten gebunden und verbrannt. Danach kam ein alter Mann und scharrte mein Herz – Biancas Herz – aus der Asche.«
Madame Snowes Gesicht ließ keine Regung erkennen, aber ihr Blick war klar und hart.
Weitere Kostenlose Bücher