Eternity
»Und weil sie nicht öffentlich an der Börse gehandelt werden oder anderen Zwängen unterliegen, sind sie für jemanden wie mich, der seine Privatsphäre schätzt, ein guter Weg, um seine … äh … Marke … zum Beispiel durch einen Fernsehsender zu vergrößern.«
Lucien runzelte die Stirn. »Dimitri«, sagte er warnend. »Wir haben keine Marke.«
»Sowohl die Finanzwelt als auch die Unterhaltungsindustrie sind äußerst beeindruckt vom Namen Dracula«, entgegnete Dimitri. »Und es hat sich herausgestellt, dass sie alle unbedingt
unsterblich werden möchten. Und die Konsumenten … nun ihre Angst vor dem Tod macht die Schönheitsindustrie reich. Bis zum Jahr 2013 sollen allein vierzig Milliarden Dollar für kosmetische Operationen ausgegeben werden. Na ja, wer möchte nicht ewig leben? Das wissen Sie in Ihrem Beruf sicher auch ganz genau, was, Miss Harper?«
Meena hatte das Gefühl, als glitte ein kalter Schatten über ihre Seele. » Sie stecken also hinter den neuen Produkten, die bei Eternity beworben werden sollen?«, schrie sie angewidert und versuchte, sich aus Dimitris Griff zu befreien.
»Natürlich«, erwiderte er lächelnd, hielt sie jedoch eisern fest. »Aber Sie brauchen mich gar nicht so vorwurfsvoll anzublicken, meine Liebe. Wir unterscheiden uns nicht von Ihrem früheren Sponsor. Auch wir wollen unseren Zuschauern nur Produkte vermitteln, die ihr Leben verbessern.«
»Wie das Regenerative Spa für jugendliches Erwachen?« Meena wurde übel.
»In so einem war ich gerade«, warf Lucien ein. Seine Stimme war kalt wie Eis. »Im Keller des Concubine.«
»Unsinn«, sagte Dimitri. »Das war nur ein Prototyp. In diesem Zustand hättest du es eigentlich nie sehen dürfen, Lucien. Wir haben Pläne, unsere Spas hochwertig einzurichten und weltweit …«
»Nein«, entgegnete Lucien. »Das hat jetzt ein Ende.«
Dimitri zuckte mit den Schultern. »Vielleicht siehst du unser Familienunternehmen nicht so, Lucien, aber ich kann dir versichern, die Finanzleute haben ein astronomisches Wachstum …«
»Es gibt kein Familienunternehmen.« Lucien trat einen Schritt auf Dimitri zu. »Und ich glaube, das Wachstumspotenzial deiner Spas wird dramatisch abnehmen, wenn du weiter unschuldige Mädchen an deine Neugeborenen verfütterst.
Die Vorstellung, für immer jung auszusehen, mag den Menschen ja gefallen, aber Mord verabscheuen sie, Dimitri.«
Meena konnte dem Gespräch zwischen den beiden Brüdern nicht mehr folgen. Und das hatte nichts damit zu tun, dass sie in einer entweihten Kirche stand, mit einem Dolch an der Kehle, umringt von blutdurstigen Vampiren.
Nein, ihr war klar geworden, dass Dimitri recht hatte: Sie wusste tatsächlich alles über den Wunsch nach ewigem Leben. Sie hatte nicht nur ihr halbes Leben damit verbracht, Menschen vor einem zu frühem Tod zu bewahren, sondern es war auch das Thema, über das sie in Eternity schrieb … Victoria Worthington Stones unstillbarer Durst nach Leben, Liebe und nach ihrer verlorenen Jugend.
Aber wer konnte von der Ewigkeit wirklich nicht genug bekommen? Die Frauen, die sich nach Liebe und Schönheit sehnten? Oder die Vampire, die nach ihrem Blut lechzten? Oder Geschäftemacher wie Dimitri, die aus der Unsicherheit der Frauen Kapital schlugen, indem sie ihnen einredeten, sie müssten einem bestimmten Ideal entsprechen … und deshalb ihre Produkte kaufen.
Meena erkannte plötzlich, wie hinterhältig Luciens Bruder war. Und wer die wirklich Unersättlichen waren.
»Warum hast du denn die toten Mädchen nicht versteckt, Dimitri?«, fragte Lucien verwundert. »Wenn du unbedingt den Markennamen Dracula bekannt machen willst, die Vatikanwache aber so sehr fürchtest, dass du eine private Investmentfirma in der Schweiz gründest, dann sind die Leichen …«
Die toten Mädchen in den Parks. Das hatte Alaric gemeint, als er von Köder gesprochen hatte.
»Er wollte dich hierherlocken, Lucien«, sagte Meena. Ihr war jetzt alles klar. »Du solltest nach New York kommen, damit er das hier inszenieren konnte.«
Die Krönung war nur die letzte Phase in Dimitris Masterplan, die Menschen in ganz Amerika – und bald die der gesamten Welt – in Vampire zu verwandeln. Und der Einzige, der ihm dabei im Weg war …
Als ihre Blicke sich trafen, sah Meena, wie sehr Lucien sie liebte – und wie schwer es ihm fiel, seinen Bruder nicht auf der Stelle zu vernichten.
Aber das konnte er nicht. Noch nicht.
Nicht, solange Dimitri sie festhielt und ihr den Dolch an die Kehle
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