Etwas ist faul
nehme ich an?«
»Ja, es war ein massiver Briefbeschwerer, der immer auf dem Tisch neben der Tür lag. Die Polizei untersuchte ihn auf Fingerabdrücke, fand aber keine. Er war abgewischt worden.«
»Und Ihr erster Verdacht?«
»Wir nahmen natürlich an, dass es ein Einbrecher war. Zwei oder drei Schubladen des Schreibtisches waren herausgezogen, so, als ob ein Dieb etwas gesucht hätte. Selbstverständlich nahmen wir an, dass es ein Dieb war! Doch dann kam die Polizei und stellte fest, dass Tante Lily schon mindestens eine Stunde tot war und fragte Martha, wer ins Haus gekommen wäre, und Martha sagte: ›Niemand.‹ Alle Fenster waren von innen verriegelt, und es gab keine Anzeichen, dass man versucht hatte, sie zu öffnen. Und dann begannen sie, uns Fragen zu stellen…« Sie stockte. Mit ängstlichen, flehenden Augen suchte sie Trost in Sir Edwards Blick.
»Wer hat vom Tod Ihrer Tante einen Nutzen?«
»Das ist einfach. Wir haben alle den gleichen Nutzen. Ihr Vermögen wird zu gleichen Teilen unter uns aufgeteilt.«
»Und wie groß ist dieses Vermögen?«
»Der Anwalt erklärte uns, dass es etwa achtzigtausend Pfund nach Abzug der Erbschaftssteuer beträgt.«
Sir Edward riss leicht erstaunt die Augen auf. »Das ist eine ganz beträchtliche Summe. Sie kannten, nehme ich an, die Größe des Vermögens Ihrer Tante?«
Magdalena schüttelte den Kopf. »Nein, das hat uns völlig überrascht. Tante Lily war immer schrecklich sparsam. Sie hielt sich nur einen Dienstboten und redete immer viel über gutes Wirtschaften.«
Sir Edward nickte gedankenvoll. Magdalena beugte sich in ihrem Sessel ein wenig vor. »Sie werden mir helfen, nicht wahr?«
Ihre Worte trafen Sir Edward wie ein Schock gerade in dem Moment, als er anfing, sich für den Fall zu interessieren.
»Meine liebe junge Dame, was kann ich schon tun? Wenn Sie einen guten Rechtsanwalt brauchen, kann ich Ihnen eine Adresse geben…«
Sie fiel ihm ins Wort. »Oh nein, das ist es nicht, was ich brauche! Ich bitte um Ihre persönliche Hilfe als mein Freund.«
»Das ist sehr schmeichelhaft von Ihnen, aber…«
»Ich bitte Sie, kommen Sie in unser Haus, stellen Sie Fragen, sehen Sie sich um, und bilden Sie sich selbst ein Urteil!«
»Aber meine liebe…«
»Erinnern Sie sich daran, was Sie versprachen. Überall, zu jeder Zeit, sagten Sie, wenn ich Hilfe brauche…«
Ihre Augen, flehend, doch zuversichtlich, suchten die seinen. Sir Edward fühlte sich beschämt und seltsam gerührt. Diese Offenheit, dieser unbedingte Glaube daran, dass ein eitles Versprechen, vor zehn Jahren, eine heilige absolut bindende Sache ist! Wie viele Männer hatten wohl schon diese Worte ausgesprochen – fast ein Klischee und wie wenige waren jemals aufgefordert worden, sie in die Tat umzusetzen? So entgegnete er ziemlich lahm: »Ich bin sicher, dass es eine Menge Leute gibt, die Ihnen besser helfen könnten als ich.«
»Natürlich habe ich eine Menge Freunde.« (Er amüsierte sich über die naive Selbstsicherheit, die sich darin ausdrückte.) »Aber verstehen Sie, sie sind alle nicht erfahren genug. Nicht so wie Sie. Sie haben Erfahrung darin, Menschen zu befragen. Und mit all Ihrer Erfahrung müssen Sie es wissen.«
»Wissen was?«
»Ob sie schuldig oder unschuldig sind.«
Sir Edward lächelte ziemlich grimmig in sich hinein. Er schmeichelte sich, dass er es im Allgemeinen tatsächlich gewusst hatte. Leider war in vielen Fällen seine Meinung nicht die der Geschworenen gewesen.
Magdalena schob mit einer nervösen Geste ihren Hut aus der Stirn, sah sich im Zimmer um und sagte: »Wie still es hier ist. Haben Sie nicht hin und wieder das Verlangen nach etwas Leben?«
Die Sackgasse! Ihre Worte, so unabsichtlich, aufs Geratewohl sie gesprochen waren, hatten ihn an der empfindlichsten Stelle getroffen. Eine Sackgasse, ja. Aber da gab es immer einen Weg hinaus – den Weg, den man gekommen war – den Weg zurück in die Welt…
Etwas Ungestümes und Jugendhaftes begann sich in ihm zu regen. Ihr unbedingtes Vertrauen appellierte an die besten Seiten seines Wesens; und ihr Problem weckte das Interesse des geborenen Kriminalisten in ihm. Ja, er wollte die Menschen sehen, von denen sie gesprochen hatte. Er wollte sich sein eigenes Urteil bilden.
So sagte er: »Wenn Sie tatsächlich überzeugt sind, dass ich Ihnen von Nutzen sein kann… Aber denken Sie daran, ich garantiere für nichts!« Er hatte erwartet, dass sie vor Freude überwältigt sein würde, aber sie nahm sein Angebot
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