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Eulen

Eulen

Titel: Eulen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiassen
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und machte sich auf den Weg zum Bauplatz.
    Es war noch dunkel, als er dort eintraf. Dreimal fuhr er um den Block herum, sah aber nichts Ungewöhnliches. Abgesehen von einem Müllwagen, waren die Straßen leer. Auch der Polizeifunk blieb still, vor Sonnenaufgang war wenig los in Coconut Cove. Nach Sonnenaufgang allerdings auch nicht, dachte Officer Delinko.
    Er stellte sein Auto neben Leroy Branitts Bauwagen ab und wartete darauf, dass die Sonne aufging. Es versprach ein schöner Morgen zu werden, der Himmel war wolkenlos und im Osten war ein feiner rosa Streifen zu sehen.
    Officer Delinko wünschte, er hätte sich eine Thermoskanne mit Kaffee mitgebracht. Er war es nicht gewohnt, so früh aufzustehen, und einmal ertappte er sich dabei, dass er fast hinter dem Lenkrad eingeschlafen wäre. Danach schlug er sich immer wieder auf die Backen, um wach zu bleiben.
    Als er so in das verschwommene Grau des frühen Morgens spähte, schien es ihm einen Moment lang, als hätte er eine Bewegung auf dem leeren Grundstück gesehen. Er schaltete die Scheinwerfer ein. Auf einem grasbewachsenen Hügel vor ihm, in dem ein neuer Markierungsstab steckte, standen zwei Eulen.
    Curly hatte ihn nicht auf den Arm genommen. Das hier waren die kleinsten Eulen, die Officer Delinko je gesehen hatte – um die zwanzig Zentimeter groß, mehr nicht. Dunkelbraun waren sie, mit scheckigen Flügeln, heller Kehle und durchdringenden bernsteinfarbenen Augen. Officer Delinko war kein Vogelkundler, aber diese Eulen in Spielzeuggröße faszinierten ihn. Ein Weilchen standen sie da und starrten das Polizeiauto an, zwinkerten immer wieder unsicher mit ihren großen Augen, dann wandten sie sich ab. Tief übers Gras gebeugt, schienen sie miteinander zu reden.
    Officer Delinko hoffte, dass er die Vögel nicht von ihren Nestern verscheucht hatte, und schaltete die Scheinwerfer aus. Er rieb sich über die schweren Augenlider und lehnte seinen Kopf ans Seitenfenster. Das Glas fühlte sich angenehm kühl an auf seiner Haut. Eine Mücke schwirrte um seine Nase herum, aber er war zu müde, um nach ihr zu schlagen.
    Bald war er eingeschlafen und wachte erst wieder auf, als er die krächzende Stimme seines Einsatzleiters hörte, der routinemäßig nach dem Standort des Streifenwagens fragte. Officer Delinko tastete nach dem Mikrofon und nannte die Adresse des Baugrundstücks.
    »Zehn-vier«, sagte der Einsatzleiter und schaltete ab.
    Officer Delinko richtete sich langsam auf. Es war heiß im Wagen, aber seltsamerweise kam es ihm dunk-1er vor als bei seiner Ankunft – so dunkel, dass er nichts sehen konnte, nicht einmal den Bauwagen.
    Eine Schrecksekunde lang überlegte der Polizist, ob es vielleicht schon wieder Nacht sein konnte. War es möglich, dass er aus Versehen den ganzen Tag verschlafen hatte?
    Genau in diesem Moment schlug etwas gegen den Streifenwagen – peng! Dann folgte noch ein Schlag und dann ein dritter. Irgendetwas klopfte unablässig ans Auto, aber er konnte nicht sehen, was es war. Officer Delinko griff nach seiner Pistole, bekam sie aber nicht aus dem Halter – der Sicherheitsgurt war im Weg.
    Während er noch herumfuchtelte, um loszukommen, flog die Autotür auf und grelles Sonnenlicht traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Er legte eine Hand über die Augen und tat das, was er an der Polizeischule gelernt hatte – er schrie: »Polizei im Einsatz! Polizei im Einsatz!«
    »Ach ja? Fast hätte ich’s nicht gemerkt.« Es war Curly, der brummige Wachmann. »Was’n los – haben Sie nicht gehört, wie ich geklopft hab?«
    Officer Delinko hatte Mühe, zu sich zu kommen. »Ich fürchte, ich bin eingeschlafen. Was passiert?«
    Curly seufzte. »Kommen Sie raus und sehen Sie selbst.«
    Der Polizist stieg aus und stand im grellen Sonnenlicht. »Oh nein«, murmelte er.
    »Oh doch«, sagte Curly.
    Während Officer Delinko sein Nickerchen hielt, hatte jemand alle Fenster seines Streifenwagens mit schwarzer Farbe eingesprüht.
    »Wie spät ist es?«, fragte der Polizist.
    »Halb zehn.«
    Officer Delinko entfuhr ein kurzer Aufschrei. Halb zehn! Er berührte die Windschutzscheibe mit dem Zeigefinger – die Farbe war trocken.
    »Mein Auto«, sagte er verzweifelt.
    »Ihr Auto?« Curly bückte sich und raffte einen Arm voll ausgegrabener Vermessungspfosten zusammen. »Wen interessiert schon Ihr blödes Auto?«
     
    Den ganzen Morgen über spürte Roy einen Knoten im Magen. Irgendetwas musste passieren, und zwar etwas Entscheidendes – er konnte nicht den Rest des

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