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Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Titel: Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Petery
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scheint zu schweben. Fliegen wir? Sind das Wolken, das Weiße hier? Beschlägt sphärische Kälte die Scheiben? Wir könnten immer weiter aufsteigen, über die Stadt hinaus, in den weiten Himmel. Ich warte darauf, dass plötzlich grelles Sonnenlicht auf mein Gesicht strahlt und mich blendet. Stattdessen schaltet der Busfahrer mit einem zähen Klicken die Neonlichter an. Eine der Röhren will nicht anspringen, lässt es sich aber nicht nehmen, immer wieder lärmend aufzuleuchten und dann wieder auszufallen. Alle Passagiere schauen sie an. Nach wenigen Blink-blink-blinkblitz-aus sind wir alle gereizt. Der Neandertalerzusammenhalt ist dahin. Die zwei Damen werden unruhig und wechseln ihre Schirme von der linken in die rechte Hand und wieder zurück. Die eine, diejenige, der ich meinen Platz angeboten habe, lässt ihre Schnürschuhspitze auf den Gummiboden schnappen. Ich lege meine Wange an das Fenster und schließe die Augen. Das Vibrieren des Motors geht durch meinen ganzen Körper. Da ist mein Oberarm. Da meine Brust. Und da mein Bauch. Und da ist noch jemand. Oder?
    Ich lege eine Hand auf meine Bauchdecke. Spüren kann man noch nichts. Aber gut, im dritten Monat kann man das vermutlich nicht. Lässt sich da überhaupt schon etwas nachweisen? Unter geschlossenen Lidern tauchen die Bilder einer alten Fernsehwerbung für einen Schwangerschaftstest auf: Eine junge Frau mit einem brünetten Fransenpony liegt auf babyblauen Kissen, scheint ganz von ihnen umgeben, geht
durch eine Kissenwelt, tanzt zu einer Altstimme durch Kissenwolken in die Arme eines Rasierwassermanns. In der letzten Szene beugt sich das schöne, ruhige Paar lächelnd über einen blauen Plastikstab, den sie in einer Hand hält. Sie legt ihren Kopf an die Beuge zwischen seinem Kopf und dem Schlüsselbein, und in weißer Schrift steht über ihren Gesichtern ein Werbespruch geschrieben. Vertrauen: vom ersten Tag an.
    Ich brauche einen Beweis. Nicht für meine Mutter, natürlich nicht. Für mich. Nur für mich. Dass ich Mutter bin. Werde. Ob. Es kann immer noch falscher Alarm sein.
    Der erste Tag liegt nun weit zurück. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Verdammte Sauferei. Was soll ich dem Kind denn bloß erzählen? Wenn es eines gibt. Aber das kann ich herausfinden.
    Der Bus hat das dunkle Wohngebiet durchkreuzt. Ich muss nicht lange warten, bis ein rotes A durch den Fensternebel glüht, verschwindet, wieder auftaucht, an, aus.
    »Halt!«
    Reflexartig bremst der Busfahrer. Das erschreckte Hupen eines Autos ist hinter uns zu hören.
    »Ich muss hier raus.«
    »Bist du verrückt, Mädchen? Ich darf hier nicht halten! Du wirst ja wohl bis zu der nächsten Haltestelle warten können. Setz dich gefälligst hin.«
    Der Bus nimmt wieder Geschwindigkeit auf. Der Fahrer hat mein Einstiegslächeln vergessen und murmelt: »Die ist doch nicht ganz dicht«, meine zwei Damen stecken die Lockenköpfe zum Tuscheln zusammen, werfen mir böse und dem Fahrer lobende Blicke zu. Sollen sie denken, was sie wollen. Mir doch egal. Ich will zu der Apotheke. Ich will das jetzt wissen.

    Der nächste Halt scheint einfach nicht kommen zu wollen. Während der Bus sich um Autos schlängelt, um diesen Block und um jenen Kreisel kriecht und eine grüne Ampel um Haaresbreite verpasst, hafte ich meinen Blick auf den Namen der Haltestelle, der auf einer Digitalanzeige über dem Fahrer angezeigt wird. Damit ich die Damen mit ihren Lästermäulern nicht sehen muss. Damit der Bus endlich, endlich ankommt und mich ausspuckt. Ich drücke den Knopf, auf dem Stop steht, lange und fest mit einem Daumen, so dass das Fleisch unter dem schwarzen Nagel weiß wird.
    Der Bus bremst. Nicht schon wieder eine Ampel, oder?
    »Also, raus mit dir, Mädchen. Da hast du deine Haltestelle. «
    Die Türen öffnen sich stöhnend, kalte Luft strömt herein und klärt den Nebel auf den Glasscheiben. Ich fliehe in die dunkle Welt. Regen peitscht mir entgegen, der Wind ist stark und presst mir die nassen Haarsträhnen flach auf die Stirn. Ich bin bereits bis auf die Haut durchnässt, als ich den Bus einen Seufzer ausstoßen und anfahren höre. Mit ihm verliert sich auch der gelbe Lichtkegel im Nichts. Die Autos brausen nur eine Handbreit von mir entfernt vorbei. Jedes von ihnen hinterlässt mir eine Woge schmutzigen Wassers, einen starken Luftzug, der mir die nassen Klamotten kühlt, und einen Schweif roten Lichts. Und ich schnappe nach Luft und sehe das nächste Paar weißer Scheinwerfer näher kommen. Das Wasser

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