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Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Titel: Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Petery
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sollte mich vielleicht schonen. Belegte den begehrtesten Sitz des ganzen Busses mit meinem unverschämt wohlgeformten Hinterteil. Direkt am Eingang. In Schwatznähe zum Fahrer. Mit Frontalblick aus der Windschutzscheibe.
    »Frech.«
    Sie haben sich vor mir aufgebaut, schwingen ihre Regenschirme wie Totschläger und schauen mir direkt ins Gesicht. In die Augen. Während sie seelenruhig über mich herziehen. Das soll ich natürlich mitkriegen, walkürenhaft heben sie die Stimmen, sie wissen ja nicht, dass die Kopfhörer in meinen Ohren nicht zum Beschallen, sondern zur Abschreckung dienen sollen. Sie sind Teil der Kluft des bösartigen Schulschwänzers, der schwangeren Jugendlichen, ich bin der personifizierte Untergang der Nation. Gestern habe ich mir die Fingernägel schwarz lackiert, man muss zu der Rolle stehen, die man von der Natur aufgedrückt bekommt. Ich weiß meine zu genießen. Ich bin böse. Und die zwei Damen sind die netten alten Damen. Als solche haben sie ein Anrecht auf meinen Platz. Ich bin nur froh, dass ich dem Fahrer beim Einsteigen kokett zugelächelt habe, ich kann einen treuen Vasallen brauchen, eine offizielle Abmahnung nicht. Die Jugend ist mein Verhängnis und meine Rettung zugleich.
    »Seit der Operation kann ich gar nicht mehr lange stehen. Soll ich ja auch gar nicht. Da werde ich ganz gefährlich müde.«
    Nun, meine Liebe, wenn du dieses Spielchen mit mir spielen willst, dann musst du früher aufstehen. Ich bin die Meisterin im Mitleiderheischen. Ich gähne bescheiden, mit zierlich
vorgehaltener Hand und einem abgespreizten Finger, wie bei der Teerunde. Meine Lider fallen halb zu, nur für die zwei, eine Show der besonderen Art. Für zwei nette alte Leutchen bin ich gerne die süße Kleine. Auch für böse Buben, natürlich, aber die sind jetzt brav zu Hause und schlafen ihre Herbstferien weg. Nachdem etabliert ist, dass ich fürchterlich erschöpft bin, öffne ich meine Augen noch einmal ganz weit, schaue die mir nähere bewolljackte Gestalt an, als hätte ich sie gerade erst entdeckt, reiße mir pflichtbewusst die Hörer aus den Ohren und frage: »Oh, würden Sie sich gerne setzen?«
    Jetzt muss sie auch mit mir höflich Konversation treiben, ich bin ein freundliches Wesen, fast schon ein Mensch wie die Mitrentnerin, sie kann sich vor ihrer Freundin, der möglicherweise einzigen, keine Blöße geben.
    »Ach nein, vielen Dank, es geht schon. Bleiben Sie ruhig sitzen.«
    Und damit ist die Falle zugeschnappt. Du hast selbst gesagt, dass du nicht sitzen willst, ich habe meinen Busfahrer als Zeugen und die anderen ja auch. Ich werde dir meinen Platz nicht aufdrängen, auch wenn deine Augen es mir befehlen, freundlich anraten, nennt man das wohl, ich dagegen bin der Meinung, dass es psychologische Kriegsführung ist. Ich bleibe schön possierlich sitzen und erweise ihr noch eine letzte Ehre.
    »Dankeschön.«
    Ich bin so ein liebes Mädchen. Ich habe mich freundlich bei einer Altvorderen dafür bedankt, dass ich den Platz behalten darf, der mir als Frau in anderen Umständen sowieso zugestanden hätte. Schwerbehindert ist nämlich keine von den zwei Sitzhungrigen, nein, eigentlich geht es ihnen nur darum, einer Minderwertigen wie mir, einer, die die alte Welt
vom Thron stoßen will, zu zeigen, wer der Herr im Lande ist. Wir leben in einer merkwürdigen Gesellschaft. Das findet die schwer gekränkte, weil ihres versprochenen Sitzplatzes beraubte Dame auch, ihr Blick muss wohl den Zeitungskasten an der letzten Haltestelle gestreift haben, in leuchtendem Rot prangerte dort eine Schlagzeile einen bekannten Politiker an, dessen Gesicht auf dem unschmeichelhaften Schnappschuss darunter die Sünde der Welt zu verkörpern schien. »Ist es sein Kind?«, stand dort. Ich habe ihn bemitleidet, im Geheimen, sie wohl nicht, und das will sie auch hinausposaunen.
    »Neulich habe ich es wieder im Fernsehen gesehen. Ich sag dir, mit unserem Land geht es bergab. Wenn sogar die da oben ihre Triebe nicht mehr im Griff haben, und dann reden sie immer halbes Englisch, das ist doch nicht mehr schön. Die wollen sich nur bei den Wählern anbiedern, diesen wahlfaulen Nichtstuern. Aber die interessieren sich doch für nichts. Man sollte wieder patriotischer werden, auch die Politiker, meine ich.«
    Das meine ich nicht. Plötzlich sind die beiden mir einfach zu viel, zu nah, zu mächtig. Ich werde sie doch ausblenden, wegdröhnen mit einem Konzert nur für mich, mit Musik, die die zwei wahrscheinlich als Symbol für den

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