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Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Titel: Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Petery
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nervöser.
    »Sorry, Liebling«, sagt sie im Aufstehen, »ich muss mal pissen.« Ihre kleine quadratische Handtasche, in der bestimmt kein Geschenk ist, nimmt sie mit. Noch immer sind nicht genügend Menschen im Factory 18, als dass man sagen könnte, alle Blicke würden Melanie bei ihrem bereits schwankenden Gang – was war in dem Zeug drin? – in den hinteren Teil der Bar folgen, wo die Toiletten sein müssen, aber die des Bartenders tun es auf jeden Fall. Er strafft sich, als sie wieder erscheint und ihm einen Zehner hinwirft, er mixt ihr mit viel Schwung und in einem extragroßen, glänzend polierten Mixer einen neuen Drink, nein, gleich zwei, den orangefarbenen Weihnachtsbegrüßungsdrink nimmt sie mit. Obwohl sie so beladen ist, die Gläser müssen schwer sein und der rosa geschäumte Alkohol ist schon tief in ihren Blutkreislauf eingedrungen, kann sie sich grazil setzen und ihre Beute auf den Tisch stellen. Diesmal faltet sie die Hände auf dem übergeschlagenen spitzen Knie, wieder das rechte. Sie bietet mir keinen Drink an.
    Stattdessen sagt sie laut: »Anita, deine Tüte ist runtergefallen. «
    Ich blicke auf den Hocker. Sie hat Recht, die Tüte hängt nur noch an der äußersten Kante meines Mantels, Tüte und
Mantel bilden einen wirr hingeworfenen Haufen. Wie peinlich. Ich bücke mich aus der Hüfte heraus und will die Tüte fest auf den Mantel drücken, da fragt mich Melanie: »Was ist denn da drin?«
    Vielleicht hat sie, wie ich damals die Schrift der Apothekerin, das Geschenkpapier durch das Plastik gesehen. »Dein Weihnachtsgeschenk«, sage ich, und Melanie wirkt nicht weiter erstaunt. Sie entfaltet ihre Hände erst, als ich ihr das dünne Paket in dem rot-goldenen Einwickelpapier hinhalte. Dann lächelt sie. Etwas. Sie reißt das Papier weg und dreht ihr Geschenk lustlos zwischen den Fingerspitzen. Sie lächelt kaum noch.
    »Ein Foto und meine Telefonnummer, Anita?«
    Sie blickt ungläubig darauf. In ihren kalten Augen sehe ich die zwei Papierstücke reflektiert.
    Da bin ich. Auf dem Foto. Ich mit langen blonden Haaren. Ich als Göttin der Nacht. Als Abendstern, als Herrin der Galaxie.
    »Das war, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Weißt du das nicht mehr?«
    Das war, bevor Tobias, bevor Jonas, bevor Nadja, bevor irgendjemand. Bevor ich dich kannte, Melanie. Süße? Ich habe das Bild auf meinem Handy gefunden. Eine Nachricht aus dem schwarzen Loch. Ein Junge muss es geschossen haben, ich tanze mit beiden Armen über meinem Kopf und habe die Augen geschlossen. Ich bin so schön, so verdammt schön und glücklich.
    »Die Telefonnummer hast du mir gegeben, bei dem Freund von deinem Bruder … Max?«

    Melanie, ich schenke dir zu Weihnachten die zwei Bedingungen unserer Freundschaft: Wir mussten uns treffen, und du musstest mich wollen, mich lieben. Ich schenke dir unsere Freundschaft. Auf dass sie ewig dauern kann.
    Ich liebe dich. Melanie. Meine beste Freundin. Meine letzte Freundin.
    »Anita, das ist sicherlich sehr nett gemeint.«
    Was sagt sie? Gemeint? Es ist doch nett. Es ist wahr.
    »Aber eigentlich will ich das nicht annehmen, weil ich nicht mehr deine Freundin sein will.«
    Was …
    Was soll das heißen? Was sagt …, was wagt sie da? Ich habe ihr doch gerade gezeigt, was unsere Freundschaft mir bedeutet, wie kann sie da irgendetwas anderes wollen, als mir um den Hals zu fallen und mir ewige Treue zu schwören, sich die Adern aufzuschlitzen und sie an meinen Blutstrom zu pressen? Nicht mehr meine Freundin? Meint sie nicht: immer deine Freundin, immer, egal wohin du gehst? Ich will anstoßen auf unsere Freundschaft, ich will nicht hören, was diese Betrügerin zu sagen hat, halt verdammt nochmal den Mund, Melanie!
    »Und ich will mich nicht dafür entschuldigen. Ich will dir nicht immer nur folgen müssen. Ich will mein eigenes Leben leben können. Ich bin doch nur von dir abhängig, ich weiß genau, dass du sauer warst, als ich dir erzählt habe, dass ich allein weg war. Außerdem bist du neidisch.«
    Jetzt langt es. Was bildet sie sich ein, erst verweigert sie mir ihren Treueschwur, jetzt beleidigt sie mich, was nimmt
sie sich heraus, ich bin die Göttin und sie nur die Vestalin an den Pforten meines Heiligtums, und jetzt ist sie hier drin, und ich muss ihr zeigen, was denen gebührt, die meinen Tempelboden beschmutzen und bespucken.
    »Warum sollte ich denn auf dich neidisch sein? Was hast du denn, was ich nicht habe und haben will?«
    »Alles. Ich bin besser als du, Anita, gib es

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