Euro Psycho
einmal gesagt hat – und dabei hinzufügte, dass ein solcher Spieler gebrandmarkt sei, »als ob er seine Kollegen und Eltern ermordet hat«.
So was interessiert mich einen verfickten Scheiß.
Denn diese Scheiße gilt für die Leute, die verschießen. Nicht für die Leute, die die Euro von der Korruption gesäubert und sich gerächt haben. Leute also – ist das ein Glück? – wie mich …
Fertig …
Ich nehme einen schlichten Drei-Schritte-Anlauf – die Muse des Selbstvertrauens umschließt meine Nüsse in feudaler Unterwürfigkeit – und trete ihn hart und flach. Ich sehe, wie sich das Seitennetz wölbt, ich drehe ab vom Tor, sehe Craggsy wie irre die Tribüne raufsegeln. Sehe Princess und David, wie sie hochspringen in die polnische Luft. Sehe zehn Männer, die jubelnd auf mich zusprinten, als ich quer über den Rasen renne …
Als Erster ist Nico van Nilis bei mir, seine Hand grabscht nach meinem Trikot.
»Nico!«, schreie ich. »Erstklassig!«
Als Nächstes zupft Vik Dink an mir, versucht mich zu Boden zu bringen.
»Vik!«, schreie ich. »Korrekt!«
Dann zieht Hagop Fanusian an meinem Trikot, versucht mich ebenfalls umzureißen.
»Hagop!«, schreie ich. »Geil!«
Was ich nicht schaffe, das Letzte, meine ich. Weil ich nicht mal mehr »Hagop!« rausbringe. Tatsächlich komme ich gerade mal bis »Ha…«, ehe die kritische Masse der BeJoshis uns erreicht und nach mir greift und uns alle runter auf den Rasen reißt, wo wir uns winden und buckeln in einer wilden Biomasse des Jubels, nicht wissend, welcher Hals oder welches Ohr oder Nasenloch wem gehört. Wir feiern einfach nur unser Tor.
Aber plötzlich denke ich: Scheiße. Weil mir etwas eingefallen ist.
Was hatte ich geschrien, ehe ich von den BeJoshis zu Boden gerissen worden war? Hatte ich nicht »Ha…« gesagt? »Hagop!« komplett rauszubrüllen, war mir atemtechnisch nicht möglich gewesen … Und wartet, wartet, wartet – ich schiebe Shawos Pobacke von meinem Auge runter –, hat Lazor Duran mit seinem durch den XSF verursachten, gekeuchten Atem nicht auch das »Ha…«-Geräusch von sich gegeben?
Wieder und wieder.
Hat er in seinem Todesröcheln versucht, »Hagop« zu sagen? Sozusagen mit dem Finger auf den undurchschaubaren Flügelspieler Fanusian gezeigt? Was war es – unter einem Haufen hysterischer Kicker liegend durchforste ich meine Erinnerung –, was Lazor Duran an jenem Abend gesagt hatte, als wir uns Auge in Auge im Landgasthaus getroffen hatten?
… Weshalb fragst du nicht Fanusian, warum er mit dem Fußball aufgehört hat? …
Oder so was Ähnliches. Das war es, was Duran sagte …
… Frag Fanusian, warum er gegangen ist …
Was ich nie gemacht habe, wie das halt so ist.
Busch
»Bist du sicher?«
»Ich bin sicher.«
»Eins-zu-zehn-sicher, Kev?«
»Eins zu siebzehn, Chico.«
»Eine Wachtel? Gleich neben die Stelle, wo die drei Löwen waren?«
»Exakt.«
»Die in einen Busch pisst?«
»Ja.«
»Nicht mal eine wilde Wachtel?«
»Richtig.«
»Bist du sicher?«
»Mach es einfach, Chico.«
Er seufzt und stöhnt, aber er tut, was man ihm gesagt hat. Er beginnt die Wachtel auf meine Arschbacke zu stechen, gleich neben die Stelle, wo die Löwen weggelasert worden sind. Und während er das Tattoo sticht, schweife ich ab, denke nach. Morgen werden wir das Spielfeld im NSK -Olympia-Stadion von Kiew betreten. Morgen treffen wir im Europameisterschaftsfinale auf Spanien, den amtierenden Euro-Champion, den amtierenden Weltmeister.
Wir sind der Außenseiter, sie der große Favorit.
Die Zeitungen schreiben, dass es irre ist, dass wir so weit gekommen sind. Dass unser Glück aber nun ausgeschöpft ist. Die Buchmacher pflichten den Zeitungen bei, sie geben uns keine Chance. Aber zog nicht Pasha Rani einen Acht-Tonnen-Doppeldeckerbus fünf Meter weit? Nur an seinem Haar?
Exakt.
Ich werde dieses Spiel gewinnen – als Spieler, als Trainer –, mein Versagen im letzten Finale tilgen, namentlich der Schlamassel, den ich in der Champions League angerichtet habe. Ich werde größer als der Fußball sein.
KKC wird auf Armanis Grab pissen. Joie de Kev wird sich besser verkaufen als Keegans Brut .
Meine Werbeverträge werden alles Vergleichbare aussehen lassen wie Taschengeld.
Äh, Keegan? Äh?
… Aber er ist still, antwortet nicht. Die Stimme Keegans klang immer noch angepisst. Doch ich brauche ihn nicht mehr, oder?
»Und, Chico«, füge ich hinzu, zurück aus meiner Träumerei. »Wenn du mit der Wachtel fertig bist, schreib
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