Euro Psycho
die Hocke, drücke meinen Rücken gegen die Tür, die Arme gegen die Wand, drücke nach beiden Seiten. Die Türen geben plötzlich nach und ich pralle rückwärts, falle, schlage mit meinem Rücken auf dem Boden auf, mein Kopf knallt hin. Ich knie mich hin, sehe mich um … Ich bin auf einem Gang. Ich bin immer noch im Stadion.
Angeschlagen bewege ich mich den Gang hinunter und durch das Scheißhaus hindurch. Ich stoppe im Duschraum, wasche das Blut von meinem Gesicht und aus meinem Haar, gehe in die Umkleide, finde meine AdiZero- F50 -MiCoach-Schuhe, ziehe sie an, schnüre sie zu, streife ein neues Trikot über und klackere raus in den Spielertunnel. Als ich ins Stadioninnere hinaustrete, blicke ich auf eine der 103 Quadratmeter großen Anzeigetafeln. Immer noch 0 : 0. Irgendwie. Wie spätere Sichtungen dieses Endspiels zeigen werden – und ich werde es mir häufiger ansehen als Goblin Sex 9 –, war Spanien uns in jeder Hinsicht überlegen.
Schüsse aufs Tor. Neben das Tor. Pässe. Ballbesitz. Raumdeckung.
Sie bombardierten uns, während unser bester Spieler fehlte, unsere Taktik in Auflösung begriffen war.
Aber sie hatten immer noch nicht getroffen. Und jetzt – was ist das? – macht sich Spaniens Xavi Hernandez bereit, eine Ecke zu treten? Ich blinzle, bin verwirrt und versuche immer noch, die Teile zusammenzubringen. Da sehe ich ihn, wie er einen raffiniert angeschnittenen Eckball in unseren Strafraum schlenzt.
»Kopf hoch, Jungs«, denke ich, »klärt ihn.« Während ich atemlos zusehe, gehe ich Richtung Coaching-Zone, und sehe, wie der Ball über unseren Verteidiger Ash Hughes am ersten Pfosten und über die beiden BeJoshis in der Mitte des Tores hinwegsegelt. Dann schraubt sich Gerard Pique hoch, der gebildete spanische Innenverteidiger, der einen legendären Auftritt im Shakira-Video zu »Waka Waka (This time for Africa)« hatte.
Er drückt ihn mit dem Kopf runter.
Der Ball berührt den Boden, springt über die ins Leere schlagende Hand von Dick Fick, am Knie des Ex-Postboten Shawo Mamedow vorbei unter die Latte ins Netz.
Tor. Unser Widerstand ist gebrochen. Die Spanier drehen jubelnd ab. Dann – warum passiert das immer? – pfeift der Schiri, zeigt ein Schubsen an, deutet auf Pique und auf die Stelle, wo er den Ball geköpft hat – und gibt das Tor nicht.
Während ihre Spieler den Schiri mit Worttiraden belegen, gehe ich in der Coaching-Zone zum vierten Offiziellen. Unsere Jungs auf der Bank gucken mich mit »Was, verfickt noch mal, wird das?«-Blicken an. Ich bringe ihn dazu, mich einzuwechseln. Ich ersetze einen überflüssigen BeJoshi.
Ich bin angeschlagen und durcheinander, aber ich betrete das Euro-Feld.
Ich feiere meinen Einsatz in diesem Finale, indem ich zu Spaniens Top-Torschützen aller Zeiten gehe, David Villa, mich hinter ihn stelle und meinen Schwanz an seinem Hintern reibe, während ich sage: »Daddy ist jetzt auf dem Platz, du Schlampe.«
Das fühlt sich schon besser an.
Hier sind wir, lasst uns das Ding eintüten, diesen Scheiß hier gewinnen. Dann sehen wir, was passiert.
Die Jungs drehen sich zu mir um, einer nach dem anderen. Sie sehen, wie ich meinen angestammten Platz im zentralen Mittelfeld einnehme. »Kev!«, sagen sie. Und »Wow!« und »Huh« und andere kurze Aufschreie der Begeisterung. Alle außer Hagop Fanusian, der mich traurig und standhaft anstarrt, und sagt: »Ich dachte, du hättest es ausgerechnet?«
»Was ausgerechnet?«, frage ich ihn, aber ich erhalte keine Antwort. Stattdessen drehe ich mich um, um mitzubekommen, wie Arnan Varnan einen Freistoß klärt. Ich springe hoch, um an den Ball zu kommen, verfehle ihn komplett. Ich sehe ihn unkalkulierbar von der grazilen Rübe des Spaniers David Silva wegspringen, direkt in den Lauf von Hagop Fanusian.
»Aaaaaaaahhhhhh«, rufe ich nur. »Scheiiiiiiiißßßßßßeeeeeee.«
Ich verfolge Fanusian, wie er dem Spanier Juan Mata, einem Mann, der im August 2010 seine Liebe fürs Tischtennisspiel von Valencia zu Chelsea mitnahm, einen knappen halben Meter abnimmt. Hagop zieht vorbei an Mata, sprintet runter bis zur Linie – ist das nicht derselbe Move wie in der schicksalhaften Champions League? –, derweil ich an der Strafraumkante verharre. Unsere Jungs Nico van Nilis und Zatik Vogel sind vor mir, sie stürmen in den Strafraum. Ich bleibe weiter hinten, mein Instinkt hält mich zurück, was ich zunächst bedaure. Denn während ich mich am Rande des Geschehens befinde, schlenzt Fanusian einen Ball in den
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