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Euro Psycho

Euro Psycho

Titel: Euro Psycho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Taylor
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Bariton-Papageientaucher am Finalabend irgendeines Vogelschrei-Festivals. Derweil wartet das andere Team schon auf dem Platz und beobachtet uns, wie wir raustrotten: mit durchgedrückten Rücken, aufrecht, die Zuschauer hinter uns. Und: Schlucken unsere Gegner?
    Ich glaube ja, sie scheinen zu schlucken.
    Wir haben bereits Angst verbreitet, ehe wir überhaupt die Scheiße aus ihnen rausgetreten haben. Ich gehe ST -mäßig zum Mittelkreis mit Präsident Dave, um über die tragischen Vorgänge von neulich zu quatschen. Mit der Hilfe von Vik Dink habe ich meine Gedanken in stumpfes Fan-Gelaber übersetzen können. Ich nehme also das Mikrofon. »Lado Bordin, Nino Nazmi«, sage ich nur. »Schande über ihre Mütter, aber sie haben dem Ruf dieses Clubs geschadet. Also fickt sie.«
    Ein kurzer Moment der Stille, dann dreht die komplette Tribüne durch. Weil sie die Rede lieben und weil sie König Kev lieben. Und das zurecht. Denn ich werde diese Jungs in die Champions League bringen.
    Das werde ich. Dem habe ich mich verschrieben.
    El Presidente kommt ans Mikrofon, wirft mir seinen Komm- mal-runter-Blick zu. Er zeigt sich versöhnlicher, drückt seinen Glauben in die Rechtsstaatlichkeit aus und hofft, dass der Killerfan gestoppt wird – was schon passieren wird, angesichts der Tatsache, dass mit Serj Tankian nur noch einer der korrupten Ex-Spieler übrig ist.
    Und dann was? Was? Princess Fitness schreitet langsam zur Mitte des Platzes, nimmt das Mikrofon von König David, scheint innezuhalten, zittert, fasst sich. Dann blickt sie vertraut auf die Tribüne und rollt, wie vor einem Kampf, ihre Schultern zurück. Und zunächst langsam, zaghaft könnte man sagen, beginnt sie zu singen.
    »Was zur …?«, frage ich, nachdem ich meinen Platz in der Mannschaft wieder eingenommen habe und zwischen Vik und Hagop stehe.
    »Das ist das Vereinslied«, sagt Hagop und betrachtet Princess mit komplett verschleiertem Blick.
    Die Zuschauer sind stumm. Sie wirken, als ob sie Gänsehaut hätten, überrascht.
    »Wie geht der Text?«, frage ich Hagop, neugierig aus irgendeinem Grund.
    »›Die Wachtel der Hoffnung wird ihr Nest in unserem Land bauen.‹«, übersetzt er. »›Und ihre künftigen Eier werden durch unsere Hände gequirlt.‹«
    »In Ordnung«, sage ich. »Lass es.«
    Denn es klingt viel besser, wenn du nicht weißt, auf was sie hinauswill. Aber wenn ich mich umsehe: Jeder – abgesehen von Nico van Nilis – weint, erstarrt. Die Fans. Der Schiri. Sogar Ash Hughes, der hier wirklich gut reinpasst, der mit Craggsy und den BeJoshis angeln war und ihnen im Gegenzug die Carrera-Bahn gezeigt hat. Die einzige Bewegung in ihren Gesichtern ist das langsame, stolze Tropfen der Tränen. Sogar mancher Gegner muss weinen.
    »Was zur …?«, frage ich laut ein zweites Mal.
    »Das Vereinslied«, erklärt Hagop, »ist auch die alte Nationalhymne. Die Sowjets hatten es verboten, danach dauerte es lange, bis sich jemand wieder daran erinnerte. Öffentlich ist es seit 1917 nicht mehr gespielt worden.«
    »Gut.«
    »Was sie macht … ist erstaunlich.«
    Und jetzt heult auch die Prinzessin. Obwohl ihre Stimme sich trotz der herabtropfenden Tränen nicht ändert. Sie starrt genau auf meine Schulter, was eine merkwürdige Wahl ist, wo doch mein gesamter Kopf im Angebot ist.
    Aber nein, sie starrt nicht auf meine Schulter, sondern auf Fanusian, der an meiner Schulter lehnt.
    Irgendetwas ist in ihrem Gesicht. Ein flehentlicher Ausdruck, nahezu inständig. Doch weshalb inständig?
    Ich habe keine Zeit, darüber nachzudenken, weil ein Boot gerade in der Menge erscheint. Diesmal nicht die Jolle, sondern ein größerer Apparat. Eine Art von Galeone, glaube ich, eine Miniatur-Galeone aus Balsaholz, die noch nicht ganz fertiggestellt ist – Masten und Kanone und anderer Seefahrtsscheiß fehlen –, aber schon ganz ordentlich. Und die unfertige Galeone wird stolz über den Köpfen der größer gewordenen Menschenmenge herumgereicht, während das Vereinslied, die alte Nationalhymne, sich ergreifend aufbaut.
    Und, warte mal, ist da nicht jemand in der Galeone?
    Wer verdammte Scheiße ist das? Dieser Craggsy?
    Daraufhin sehe ich mir Craggsio an, sein Gesicht ängstlich, aber auf eine Art auch amüsiert. Er ist in einen langen Gehrock gekleidet, mit Litze und Epauletten. Und während er auf seinem Weg über das Menschenmeer der Fans hin und her schaukelt, hält er etwas … Was? Sind das etwa Bootsmannspfeifen?
    Er wirkt wie ein Maskottchen, wie irgend so ein

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