Euro Psycho
Moore mehr auf meiner Cornflakes-Packung geben. Keinen Shearer mehr auf meiner Brotverpackung.
Also meditiere ich im Abalos-Sessel, kaue an meinen Fingern herum, während die Gesichter der englischen Spieler in der Glotze vorbeigleiten. Die Kamera verweilt auf Rooney, der aussieht wie ein irre gewordener zahnloser Eber.
Dann höre ich sie. Eine Stimme, die mir zuflüstert. »Alfredo di Stéfano«, sagt die Stimme nur. »Hä?«, denke ich, weil es nicht die Stimme von Keegan ist, meinem üblichen Ratgeber in Momenten des Zweifels. Nein, es ist die Stimme einer Frau, die jetzt den Namen von di Stéfano ausspricht, des fünfmaligen Gewinners des Europapokals der Landesmeister. Und ich sehe mich um, sehe Princess, die langsam in meine Richtung geht. Die die Nebenraumtür geöffnet hat und unbemerkt eingetreten ist.
Gekommen, um mich zu finden.
»Alfredo di Stéfano«, fährt sie fort, »hat das Land gewechselt.«
Sie hat recht, das hat er getan. Geboren in Buenos Aires als Sohn italienischer Eltern, spielte di Stéfano für Argentinien und anschließend für Kolumbien. Er wechselte sogar noch einmal und spielte für Spanien.
Er spielte für drei verschiedene Länder.
Ich blicke zurück auf den Bildschirm. Die Hymne ist fast beendet, die Kamera ruht auf Rio Ferdinand, der die Kapitänsbinde fest um den Arm trägt.
Mir ist schlecht. Wirklich schlecht.
Er hat sein eigenes Restaurant, das »Rosso ’ s« in Manchester, eine konkurrenzlose Fress-Anlaufstelle.
Gepusht von Hollywoods Billy Zane und von dem dicken TV -Typen James Corden.
Hohe Bleiglas-Fenster. Überzeugende Marmor-Kuppeln. Kostbar und stylisch.
Ich sehe Rio und bin am Boden zerstört, weil er England zur Euro 2012 führen wird.
Aber was kann ich tun?
Dann fühle ich sie, fühle Princess knapp hinter mir, wie sie sich von hinten über mich beugt, während ich im Sessel sitze. Ihr Haar an meiner Wange, ihre Wange an meiner Wange, ihre Lippen an meiner Wange. Sie will mich. Ihre Lippen sind jetzt an meinem Hals …
Aber dann stoppt sie plötzlich, steht auf und dreht ab, geht aus dem Raum.
Ich runzle meine Stirn, schüttele den Kopf, sehe wieder Ferdinand an.
Ich bin unsicher und hilflos.
Wo ist meine Twitter-Präsenz, die abgeht wie eine Rakete? Mein exklusives Promi-Restaurant?
Aber vielleicht kann ich beides mit der Euro 2012 erlangen? Denn leitet mich nicht irgendetwas dorthin? Ist es dort, wo ich meinen Ruf wiederherstellen kann? Zumindest ist es mein Gefühl. Obwohl es inzwischen zu spät ist, dorthin mit England zu gehen – kann ich denn mein Land betrügen und stattdessen das wachtelige Trikot tragen?
Wer weiß, wie lange ich hier sitze, grübelnd, allein. Aber später, als ich zurückstapfe, finde ich die Suite verlassen vor, die Balkontüren weit geöffnet.
Ich gehe rüber, trete nach draußen.
Die ganze Party ist jetzt auf dem Balkon. Ich starre nach unten auf die Straße und in die große Menschenmenge. Craggsio ist betrunken, steht groggy auf einem Stuhl und hat ein Fernglas an seinem Auge. Vik Dink steht neben ihm, schreit: »Forza Craggsy, Forza Craggsy.«
Und die gesamte Menge unten singt mit.
Hinter Vik Dink steht El Presidente, sieht gerötet und aufgeregt aus. Fast ein wenig besorgt. Hinter El Presidente, im Schatten des Balkons, steht Aram Shishakli und schlürft ein Glas Cuvée-Femme-Champagner.
»Forza Craggsy, Forza Craggsy«, scheint die ganze Welt zu schreien.
Ich meine, was für eine verdammte Scheiße geht hier ab?
Dritter Teil
Harmlose Herausforderung
Meine erste Pressekonferenz als National- ST . Die letzte, ehe wir in die Pokraine abreisen. Aus der ersten Reihe grinst mich irgend so ein Arschgesicht an. Also nehmen wir uns diesen kleinen Pisskopf zuerst vor.
Ich gebe ihm das Zeichen loszuschießen.
»Halo Jalayian«, stellt er sich vor, »staatlicher Rundfunk. Mir ist aufgefallen, dass Sie im Dynamo-Spiel ein bisschen gehumpelt haben.«
»Ja.«
»Sind Sie verletzt?«
»Nur ein Schlag.«
»Okay, wie ist das passiert?«
»Bei einem Zweikampf.«
»Im Training?«
»Nein, im Dynamo-Spiel.«
»Ich war bei dem Spiel, Mister King, und ich habe keinen heftigen Zweikampf von Ihnen bemerkt.«
»Es war ein harmloser Zweikampf. Das Übliche halt.«
»Aber Sie sind in dem Spiel nicht ausgewechselt worden.«
»Ich weiß. Es war nichts. Ich bin dringeblieben. Habe getroffen und zwei weitere aufgelegt. Sie werden darüber berichtet haben.«
»Wie sieht es jetzt aus?«
»Was?«
»Ihre Verletzung.«
»Ist in
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