Euro Psycho
ja nicht schaden: »Dreißigtausend die Minute.«
Er lacht darüber, damit hat er gerechnet.
»Oder noch besser«, füge ich hinzu: »Fünfzigtausend.«
Le foot, c’est moi
»Mein erstes Tor war riesig«, protzt Nico van Nilis gegenüber einer heißen Botschaftertochter. »Aber mein zweites war besser«, fügt er hinzu und schüttet das Glas 1995er Duval-Leroy-Cuvée-Femme-Champagner in einem Zug hinunter.
Ich blicke mich um, sehe all die Jungs, all den Luxus. El Presidente hat wirklich ordentlich auf den Putz gehauen für diese königliche Feier. Weil es ein guter Tag gewesen ist für die Royalisten, denn Kev hat den glorreichen zehnten Titel für König Davids Mannschaft eingesackt. Und ja, fein, ich hab im Spiel einen kleinen Tritt aufs Knie bekommen, keine große Geschichte, nur eine kleine Unpässlichkeit. Aber das hielt mich nicht davon ab, weiter Gas zu geben. Ich legte beide Tore für Nico auf, machte selbst ein drittes, und wir servierten das Dynamo-Team ab. Das Team der Gute-Laune-Jungs aus Moskau, die zu dem Spiel eingeflogen worden sind.
Unsere Fans drehten komplett durch, als der Überraschungs-Aushilfsschiri abpfiff: Wachteln flogen für die Feierlichkeiten aufs Feld. Mein Moped – wie sind sie da rangekommen? – wurde über die Hände der königlichen Anhänger weitergereicht. Und Feuerwerk und Leuchtkugeln ohne Ende.
So wie jetzt auch.
Feuerwerk und Leuchtkugeln ohne Ende werden vor König Davids Bude in die Luft geschossen. Ich ziehe die französischen Brokatvorhänge zurück, glotze aus dem Fenster, sehe die ekstatische Menschenmasse auf der Straße. Tausende verdrängen die Scheiße von der Avenue Kpalandze. All diese ruhenden Royalisten, die aus ihren verschissenen Holzhütten herausgehumpelt sind, um sich um die Villa von König David zu versammeln, drehen vollkommen durch.
Autos hupen. Es wird gerufen, geschrien, gesungen. Die Leute halten Fotos von König David im Mannschaftsdress hoch. Wo sind die hergekommen? Irgendjemand muss sie längst gehabt haben. Jetzt geht es erst richtig los. Weil es mehr ist als ein Liga-Sieg: Wir haben ein königliches Revival entfacht. Einen Volksaufstand. Und der Fußball hat das ausgelöst. Ich und Fußball. Keine Frage: Le foot, c’est moi. Ich glaube, Jean Tigana, der Ex-Monaco- und -Fulham-Trainer, hat das einmal bei einer Benefizveranstaltung gesagt.
Ich glotze wieder auf die königliche Menschenmenge, aber ich kann einfach nicht das fühlen, was sie fühlen. Ich fühle mich müde. Ich muss nachdenken, Kev braucht etwas Zeit für sich allein.
Es war ein anstrengender Tag. Nicht nur, weil wir die Meisterschaft gewonnen haben. Die Arbeit meines langen Tages – es ist das, was du an Stunden investierst, das dich an der Spitze hält – begann früher. Viel früher. Noch bevor der Schiri, der ursprünglich für das Dynamo-Spiel eingeteilt worden war, seinen üblichen Frühsport im Gym absolviert hatte. Unbemerkt war ich in die Umkleide des Fitnessraums geschlüpft, um in einem Schrank zu warten. Er war bei Tagesanbruch reingekommen, um seine gewichtslosen Jazz-Exercises und Ähnliches durchzuziehen.
Als ich etwas hörte, habe ich die Kabinentür einen Spalt geöffnet, einen Blick riskiert, und ihn gesehen. Wisst ihr, ich fühlte mich ziemlich unter Druck, also war ich ganz schnell bei ihm und flüsterte: »Auf ein kurzes Wort?« Dann stieß ich den Schiri Richtung des kleinen Spiegel-und-Spülbecken-Bereichs in der Umkleide.
»Dies … ist …«, stotterte er und suchte nach den englischen Begriffen. Wahrscheinlich dachte er, ich würde ihn bitten, uns später beim Dynamo-Spiel zu helfen, und ihm ein bisschen Knete rüberwerfen, damit er uns einen krummen Elfer zuschanzt.
Von wegen, verdammte Scheiße. Ich würde nie ein Spiel manipulieren.
Anders als er, der vielleicht schon manipuliert worden war, auf die eine oder andere Weise. Deshalb mein Besuch. Um ihn aus dem Weg zu schaffen, um sicherzustellen, dass ein neuer Schiri reinkommt. Um Fair-Play sicherzustellen. So, wie wir Engländer das eben machen.
»Dies … ist …«, stotterte er immer noch.
»… im Höchstmaße irregulär.«
Ich bot ihm an, ihm auszuhelfen. Weil ich ein Clubabzeichen in Höflichkeit habe.
»Ja, höchst irregulär«, beteuerte er im Stile eines Paragrafenhengstes, aber er schiss sich dennoch in die Hosen.
Aber solche Erweiterungen seines englischen Wortschatzes konnten nicht genossen werden, denn angesichts des öffentlichen Charakters dieser Umkleide lief die
Weitere Kostenlose Bücher