Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme
Gestalt, den Vater ihrer Tochter, und sich auf die Gletscher am Horizont richtete.
Eva wusste auf Anhieb, wer das war.
Hannes trat auf sie zu. Gerda zündete sich eine Zigarette an und begann zu rauchen, indem sie mit einer Hand den Ellbogen des anderen Armes stützte. Ihr Blick verlor sich in der grenzenlosen Weite.
»Gefallen sie dir?«, fragte der Mann mit den gelblichen Haaren.
»Die sind schwer«, antwortete Eva.
»Das ist eben gute Qualität. Du wirst sehen, mit denen saust du wie Gustav Thöni.«
»Ich kann aber nicht Ski fahren.«
Ein Schweigen folgte. Die Tochter des Mannes, dessen Vater König des Skikarussells war, hatte noch nie ein Paar Skier an den Füßen gehabt. Diese Eröffnung schien Hannes Staggl ein wenig aus der Fassung zu bringen.
»Ich bin Köchin und keine feine Dame, die das Geld zum Fenster rausschmeißen kann.«
Obwohl Gerda höchstens einen Meter von Eva entfernt stand, schien ihre Stimme aus weiter Ferne zu kommen.
Hannes drehte sich nicht um, zu dieser immer noch wunderschönen Frau, die er einige Jahre zuvor geschwängert hatte, sondern wandte sein Gesicht weiter der weißen Nonne im Kleinformat zu.
»Hätte deine Mutter mich heiraten wollen, müsste sie jetzt nicht in einem Hotel arbeiten, sondern würde eines besitzen.«
Gerda sog an der Zigarette und behielt den Rauch eine Zeit lang, die Eva ewig vorkam, im Mund. Dann blies sie ihn heraus, in perfekten runden blauen Ringen, die wie kleine, abenteuerlustige Raumschiffe auf die Fliederbüsche zuschwebten. Doch das Unternehmen misslang am Ende, denn eins nach dem anderen löste sich auf, bevor es landen konnte.
»Als ich schwanger war, hat niemand um meine Hand angehalten.«
Die Zigarette war noch nicht zu Ende geraucht, aber Gerda ließ sie zu Boden fallen und trat sie mit dem Absatz aus. Sie nahm Eva bei der Hand, ging mit ihr ins Haus und zog die Tür hinter sich zu. Ganz sanft.
Hannes’ Geschenk erwies sich schon bald als unvollständig: Skischuhe waren nicht inbegriffen. Nach einem Versuch, die mit Gummistiefeln bekleideten Füße in die Bindung zu klemmen, gab Eva es auf.
Es war Sepp, der schließlich eine Lösung fand. Er bastelte zwei schmale Holzschemel und nagelte sie auf die Skier, die er einen halben Meter unterhalb der Spitze abgesägt hatte. Dann brachte er noch eine Art Lenkstange an, und als es Winter wurde, sausten Eva und Ulli auf ihren Böckl unermüdlich, Hunderte, ja Tausende Male, den Abhang hinter dem Heuboden hinunter. Das hätte sogar Gustav Thöni Spaß gemacht.
Einige Monate später lud Sottotenente Colonnello Genovese Gerda mehrere Male zum Tanzen ein. Der Carabiniere hatte sie bereits bei seiner »Sottufficial-Party« bemerkt, war aber mit anderen weiblichen Bekanntschaften, die fast selbst für ihn zu viel waren, zu sehr in Anspruch genommen gewesen, um noch eine weitere Dame unterzubringen. Nun hatte sich aber eine dieser jungen Frauen kürzlich für immer von ihm verabschiedet, indem sie ihm im Foyer des Hotels Greif in Bozen einen eisgekühlten Drink ins Gesicht schüttete, was Genovese sogar freute, denn ihm lag viel an seinem besonderen Ruf. Jedenfalls fand er, mehr als ein Jahr später, nun endlich Zeit, sich auch um Gerda zu kümmern.
Der Umgang mit diesem Neapolitaner, der ihr nur bis zur Schulter reichte und keinen Augenblick lang den Mund hielt, missfiel Gerda ganz und gar nicht. Im Tanzlokal war ein solcher Größenunterschied kein Drama, da mittlerweile – die Zeiten hatten sich geändert – die Taille der Dame nicht mehr unter der des Herrn liegen musste. Der Tuca Tuca, ein Tanz, bei dem die Arme auszustrecken und die Partnerin im Rhythmus der Musik abzutasten war, schien für Genovese derart geschaffen, dass er, und nicht Raffaella Carrà, ihn hätte erfunden haben können. Auch im Bett kam er gleich zur Sache und war nicht unbedingt das, was man einen einfühlsamen Liebhaber nennt. Aber das erlebte Gerda nicht zum ersten Mal. Immerhin war er danach entspannt, geradezu liebenswert. Er erzählte Gerda von seiner wunderschönen, vom Mond über dem Golf erhellten Heimatstadt, und der Blick seiner unruhigen Frettchenaugen wurde noch sanfter, als er hinzufügte:
»Irgendwann fahre ich mal mit dir hin.«
Es wurde nicht erwartet, dass sie ihm das abnahm, aber sie wusste es zu schätzen, dass er sich verpflichtet fühlte, ihr etwas vorzumachen. Vor allem aber brachte er sie zum Lachen.
»Si accussì bella ca si faciss’ nu pireto m’ ›o zucass‹!« , hatte er einmal,
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