Eva und die Apfelfrauen
schön. Dann wird das Aroma ausgeprägter, der Geschmack runder. Am besten in Eichenfässern. Aber daran kann Anna sich nicht gehalten haben, ich hab hier keine gesehen. Und da ihre Vorräte alle weg waren, kann sie sich auch nicht an das Jahr gehalten haben. «
Eva ging zum Küchenschrank, nahm fünf Schnapsgläser heraus und stellte sie auf den Tisch. » Glaubt ihr, Anna hat gewollt, dass wir Schnaps brennen? « , fragte Dorothee und griff nach einer besonders hübsch geformten Flasche.
» Ich weià nicht. Aber ich glaube, wenn man viele Jahre einen solchen Obstgarten besitzt, kann man gar nicht anders, als sich Gedanken darüber zu machen, was mit der Ernte geschieht, wenn man mal nicht mehr ist « , meinte Eva nachdenklich. » Sie wusste ja, dass sie bald stirbt, und trotzdem hat sie den Saft angesetzt. Sicher in der Hoffnung, dass wir da weitermachen, wo sie aufhören musste. «
» Trotzdem denke ich, sie hat uns das Haus nicht nur deshalb vermacht « , grübelte Nele. » Wenn ihr die Verwertung der Ãpfel so wichtig gewesen wäre, dann hätte sie es jemandem aus dem Dorf vererbt. Die Leute hier kennen sich damit doch besser aus als wir. Was sie sich dabei nur gedacht hat? «
» Wir werden es nie erfahren « , sagte Julika.
Dorothee gab Eva die Flasche, und sie hob sie gegen das Licht. Der Brand war klar mit einem Hauch Blau, was ihm etwas Mystisches gab. Zu Recht, fand Eva. Was gab es Geheimnisvolleres, als das Aroma des Sommers und das Licht der Sonne zu konservieren?
Sie schenkte allen ein. Dann hob sie feierlich ihr Glas. » Ich weiÃ, es ist nicht das erste Mal, dass wir zusammen etwas trinken⦠«
» Hört, hört « , sagte Julika grinsend.
» â¦aber es ist das erste Mal, dass es unser eigener Stoff ist « , fuhr Eva fort. Die anderen wollten schon ansetzen, aber Eva hob die Hand, sie war noch nicht fertig. » Ich finde, wir sollten auf etwas trinken. «
» Wir trinken immer auf etwas « , sagte Nele erstaunt.
» Ja, in der letzten Zeit meistens auf Anna « , ergänzte Marion.
Eva suchte nach den richtigen Worten. » Nein, ich meine auf so etwas wie die Beständigkeit unserer Freundschaft. Oder auf die Hoffnung, dass wir das Richtige mit dem Haus machen und uns einvernehmlich auf eine Lösung einigen. «
» Oder auf den Weltfrieden « , ergänzte Julika mit leiser Ironie.
» Auf dass der Feminismus gewinne. Und der Buddhismus gleich mit « , fügte Marion hinzu.
» Nun entscheide dich mal für eins, Marion « , mahnte Nele sie.
Dorothee sah in die Runde. » Ich weiÃ, worauf wir trinken « , sagte sie, und in ihren Augen glänzte es verdächtig. Feierlich hob sie ihr Glas: » Alle für eine, eine für alle! In Zeiten der Freude sowieso, aber wenn irgendwann mal Not an der Frau ist, sollten wir füreinander da sein. Lasst es uns schwören. «
» Dorothee, du bist groÃartig. Genau das meinte ich. « Eva erhob ihr Glas. » Also: Wir schwören! «
» Alle für eine, eine für alle « , murmelten sie.
Brennend heià rann es durch ihre Kehlen, sodass sie kollektiv nach Luft schnappten. Als die Freundinnen ihre Gläser wieder absetzten, schwiegen sie einen Moment. Sie spürten esâ das war mehr als ein Trinkspruch gewesen.
» Ich glaube, das wollte Anna. Dass wir in diesem Haus in ihren Schuhen stecken, dass wir machen, was sie gern gemacht hat. Mit dem Unterschied, dass wir uns gegenseitig haben. « Nele überlegte kurz. » Moment mal « , sagte sie dann, stand auf, ging aus der Küche und die Treppen hoch.
Ãber ihren Köpfen rumpelte es, dann wurde etwas über den Boden geschleift.
» Was treibt sie da blo� « , fragte Dorothee.
Sie lauschten weiter, bis sie Nele auf der Treppe keuchen hörten, als würde sie eine Last herunterschleppen. Aber sie kam nicht in die Küche, sondern ging ins Wohnzimmer. Auch dort rumorte sie herum. Und dann rief sie nach ihnen.
» Kommt, Leute, es ist Bescherung! Bringt die Gläser mit! «
» Was wird denn das jetzt? « , fragte Marion. Sie stand auf, die anderen folgten ihr.
» Ta daaaaa! Willkommen zur groÃen Wir-stecken-in-Annas-Schuhen-Show! «
Nele strahlte, als die anderen vier das Wohnzimmer betraten. Sie hatte Annas Schuhschränke geplündert, die Schuhe in zwei groÃen blauen Taschen nach unten geschleppt und war gerade
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