Eve & Adam (German Edition)
wenn ich heute zu den interessanten Stellen bei dem Typ da komme, wähle ich sie ohne dich aus.« Ich seufze. Ich will nicht wieder allein sein. »Soll dich jemand in die Stadt fahren?«
»Nein, Maddox holt mich ab. Danke.« Aislin beugt sich über mich und umarmt mich. »Ich hab dich lieb.«
»Ich dich auch.«
»Soll ich dich in dein Zimmer zurückbringen?«
Ich blicke zu den riesigen blauen Augen hinauf, die wie zwei Zwillingserden vor mir schweben. »Nein, ich bleibe noch ein bisschen. Ich komme so langsam auf den Geschmack.«
An der Tür bleibt Aislin stehen. »Weißt du was?«
»Hm?«
»Ich bin echt froh, dass es dir so gut geht.« Sie winkt dem schwebenden Augenpaar zu. »Tschüss, ihr beiden.«
Sie ist schon fast draußen, da bleibt sie noch einmal stehen. »Dein Typ braucht einen Namen, E.V.« Sie schürzt nachdenklich die Lippen, dann beginnt sie zu grinsen. »Klar, was denn sonst?« Sie schnippt mit den Fingern. »Tschüss, Adam.« Und damit verschwindet sie.
Adam. Wenn man einen Mann erschafft, muss man ihn vermutlich Adam nennen.
Besonders gut gefällt mir der Name allerdings nicht. Ich habe mein ganzes Leben lang darauf bestanden, dass die Leute mich »Evening« oder »E.V.« nennen, auf keinen Fall »Eve«. Bei Eve denkt man unweigerlich an Adam und Eva, und das führt dann zu der verbotenen Frucht und dem Problem mit dem Nacktsein. Wenn man in die Mittelstufe geht, droht das ganze Gespräch an dieser Stelle zu entgleisen.
Ich überlege, ob mein Adam hier wohl aus denselben Gründen etwas dagegen hätte, so zu heißen. Es kommt mir verlogen vor, dem Namen Adam zuzustimmen, nur weil meine Mutter mich Evening genannt hat.
Ich könnte ihn abgekürzt Ad nennen. Oder Dam.
Oder natürlich auch Steve.
»Was machst du da?«
»Aaaah!« Ich springe etwa zwei Zentimeter aus meinem Rollstuhl und stelle mich schon auf die heftigen Schmerzen ein, die einer so plötzlichen Bewegung folgen müssen, aber mein Bein protestiert nicht.
Dem Himmel sei Dank für die Schmerzmittel.
Es ist Solo und er schiebt eine Art Wagen. Wie lange steht er schon hinter mir?
»He«, murmele ich, »klopfst du nie an?«
»Keine Tür«, erwidert er ganz richtig.
»Dann gib mir irgendein Zeichen, dass du dich an mich anschleichst! Räuspere dich oder so was!«
Er schiebt den Wagen neben mich. »Augen, ja?« Er sieht an mir vorbei auf die frei schwebenden Augäpfel.
»Ja.« Ich will noch irgendeine ironische Bemerkung hinzufügen, aber mir fällt nichts ein, denn ich habe mich inzwischen umgedreht, um ihn anzusehen. Dabei habe ich erschreckenderweise festgestellt, dass die Augen, die ich erschaffen habe, wie Solos Augen sind.
»Interessante Farbe«, sagt er.
»Äh … ich … die verändere ich noch. Blau war nur ein Versuch.«
»Du magst blaue Augen, ja?«
»Ja, doch. Ich mag blaue Augen.«
»Ich dachte, vielleicht willst du was essen.« Er nimmt eine Papiertüte vom Wagen.
»Bisschen spät fürs Mittagessen, oder?« Die Uhr in der Ecke des Monitors zeigt 15:17 . »Woher weißt du, dass ich nicht schon zu Mittag gegessen habe?« Mein Magen knurrt verdächtig laut.
»Intuition«, sagt er, ohne die Miene zu verziehen.
Ich speichere den aktuellen Stand von Adam und melde mich ab.
»Komm, wir wollen nicht hier drinnen essen.« Ohne meine Zustimmung abzuwarten, lässt er die Essenstüte in meinen Schoß fallen und packt die Griffe des Rollstuhls.
»Und dein Wagen?«
Er zuckt die Schultern. »Der steht hier gut.«
Wir fahren eine Ebene hinunter, gehen einen Korridor entlang, durchqueren einen weiteren offenen Raum mit Spielgeräten für die Koryphäen und betreten eine riesige Terrasse mit Blick auf die Bucht.
Es ist nicht der Million-Dollar-Blick, den man vielleicht von Tiburon aus hätte, das der Stadt gegenüberliegt, aber durchaus nicht zu verachten.
Der Nebel hat sich gelichtet und wir haben freie Sicht auf die Richmond-San-Rafael-Brücke. Ein tief im Wasser liegender Tanker schiebt sich langsam durch die Bucht wie ein wandernder Wal. Wenn ich irgendwie an Angel Island vorbei um die Ecke sehen könnte, würde ich San Francisco sehen. Es nervt mich, dass ich es nicht kann. Ich vermisse mein Zuhause, meine Schule, meine Stadt.
Vier Leute, die irgendwie mürrisch wirken, sitzen zwanzig Meter von uns entfernt an einem Tisch und essen. Zu weit weg jedoch, um ihr Gespräch mitzubekommen.
Wir breiten unser Essen auf einer Art Campingtisch aus: Sandwiches, Pommes und zwei Puddings, einmal Schokolade und einmal
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