Eve & Adam (German Edition)
Kind zeigten, wurde mir klar, was für Folgen das Gottspielen haben kann.«
»Oh«, spottet Tommy, »hat die kleine Mutantin Ihnen ein schlechtes Gewissen eingejagt? Aber Ihre moralischen Bedenken konnten Sie nicht davon abhalten, das kleine Wissenschaftsprojekt Ihrer Tochter aus dem Glasbehälter zu befreien.«
»Das musste ich tun«, sagt meine Mutter. »Adam ist ein voll entwickelter, lebendiger Mensch mit Gefühlen.«
»Mit dessen Hilfe Sie ihre Tochter wieder herlocken konnten«, entgegnet Tommy.
»Auch das«, gibt meine Mutter zu.
»Verschonen Sie mich damit. Unter dem Strich hat Sie das alles zu einer stinkreichen Frau gemacht.«
»Nein, in Wirklichkeit hat es mich ein Vermögen gekostet. Reich gemacht hat mich ein ganz einfaches Patent für ein beschleunigtes Herstellungsverfahren von Grippeimpfstoffen. Für jede Dosis des Impfstoffs bekomme ich einundzwanzig Cent. Bei einer Milliarde pro Jahr wird daraus ein hübsches Sümmchen.«
Ich beginne zu lachen, ohne zu wissen, warum.
»Auf Ihren Namen ist aber kein Patent eingetragen«, sagt die Frau mit dem Zopf.
»Nein, aber auf den Namen meines Mannes. Seltsam, ich habe ihm das Patent zum Geburtstag geschenkt, aber er konnte damit irgendwie nichts anfangen.« Sie klingt ein wenig traurig. »Vielleicht, weil ich ihm nur die Patentnummer genannt habe. Ich glaube, er hat nie nachgesehen, was sich dahinter verbirgt.«
Meine Mutter lächelt. Ein Lächeln, das nur mir gilt. »Er war Künstler. Künstler denken anders als Wissenschaftler. Zum Glück haben wir eine Tochter, die beide Denkarten beherrscht.«
Großer Gott, ich breche fast in Tränen aus.
Tommys Miene verhärtet sich. Dass ich ins Spiel komme, ist ihm überhaupt nicht recht. Es macht ihn nervös. Er streckt den Arm aus. Die Pistole zeigt genau auf die Brust meiner Mutter.
»Lassen Sie sie in Ruhe!«, schreie ich.
»Du dumme Gans«, sagt Tommy zu mir. »Weißt du denn nicht, dass sie deinen Vater getötet hat?«
Meine Mutter zuckt zusammen.
»Das stimmt«, sagt sie nach einer Pause. »Weil ich wieder Gott spielen wollte.«
»Mom!«, schluchze ich auf.
»Ich habe ihn hinter den Plisskens hergeschickt.« Sie berührt mich zum ersten Mal seit einer Ewigkeit, legt ihre Hand auf meine. Ich ziehe meine Hand nicht zurück.
»Ich habe etwas Dummes zu ihm gesagt. Austin , habe ich gesagt, du musst sie aufhalten, egal was es kostet .«
Tommy lacht in sich hinein. Dieses Thema scheint ihm besser zu gefallen. »Dein Vater, dieser Idiot, hat das wörtlich genommen. Und da heißt es immer, nur Wissenschaftler würden so etwas tun.«
»Ich wusste nicht, was sie vorhatten«, sagt meine Mutter. »Ich hatte sie gerade erst aus der Firma geworfen und ihnen mit der Polizei gedroht. Sie waren genauso am Ausrasten, wie dieser tätowierte Trottel hier.« Sie zeigt mit einem ihrer manikürten Finger auf Tommy. »Geistig nicht zurechnungsfähig. Ich machte mir Sorgen um ihren Sohn. Also schickte ich ihnen deinen Vater hinterher. Eine regnerische Nacht … Du hättest die Straße sehen sollen. Er holte sie ein und es kam zu einem schlimmen Unfall. Beide Autos stürzten die Böschung hinunter. Ich bin ihnen mit Sicherheitsmännern nachgefahren … Die Autos gingen in Flammen auf. Als ich an der Unfallstelle eintraf, waren alle bereits tot.«
»Mom«, sage ich und das Eiern meiner Stimme verrät mich. »Ich habe Solo geholfen. Er hat alles ins Netz gestellt. Die ganzen Dateien zu Adam und das andere.«
Meine Mutter ist nicht überrascht. »Ich habe mir schon so etwas gedacht. Tja, wenn das so ist, Dr. Holyfield, dann verschwenden Sie und Ihre dümmlichen Mitarbeiter hier Ihre Zeit.«
»Und wo sind die Beweise?«, erwidert Tommy. »Bis vor wenigen Minuten war noch nichts im Internet.«
Das bringt mich in die schwierige Lage, mir zwei Dinge zu wünschen, die nicht miteinander vereinbar sind. Wenn Solo die Daten ins Netz gestellt hat und Tommy es sieht, hat er keinen Grund mehr, noch Schlimmeres anzustellen. Dann ist das Spiel aus. Tommy wird in den Knast wandern – und meine Mutter wahrscheinlich auch.
Aber warum sind die Daten noch nicht im Netz? Wo ist Solo überhaupt?
»Es muss aussehen wie Selbstmord«, sagt Tommy nachdenklich. Er sieht sich um und schnippt mit den Fingern. »Mord und Selbstmord in einem! Die Mutter bringt zuerst die Tochter um und dann sich selbst.«
»Warum sollte ich das bitte schön tun?«, fragt meine Mutter.
Tommys Komplizen wechseln ratlose Blicke, doch niemand widerspricht
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