Eve & Adam (German Edition)
Adam fast um.
Ich sehe das Gesicht des Fahrers. Er hat den Mund aufgerissen, die Augen auch.
Bremsen quietschen, der Wagen bleibt hundert Meter hinter uns stehen. Die Rücklichter leuchten auf und er schlingert auf uns zu. Hält an. Das rechte Fenster gleitet herunter.
Am Steuer sitzt ein Mann mittleren Alters mit einem nichtssagenden Gesicht, das mir vage bekannt vorkommt. Es passt überhaupt nicht zu einem Porsche.
»Da ist er ja!«, ruft er. Er sieht Adam an.
»Wer sind Sie?«, frage ich.
»Sullivan, aus der Buchhaltung. Ich …« Er verstummt und umklammert das Steuer so verzweifelt, wie Will E. Coyote sich an seinem Raketenschlitten festhält. »Nehmt euch in Acht«, sagt er schließlich. »Die sind verrückt. Vollkommen durchgedreht.«
»Wer?«
»Alle.« Er spuckt das Wort förmlich aus. »Die Wissenschaftler. Alle sind total verrückt!«
»Was ist passiert?«, will ich wissen. Ich lege meine Hände auf die Tür, um ihm zu zeigen, dass er uns nicht zu fürchten braucht. Aber er weicht erschrocken zurück.
»Ich habe damit nichts zu tun!«, ruft er. »Ich habe nur Geld umgeleitet. Ich stecke keine Menschen in Tanks oder was immer die gemacht haben.«
Er zieht den Schalthebel auf D wie Drive , steigt aufs Gaspedal und rast mit einem letzten panischen Blick auf uns weiter.
»Wir müssen uns beeilen«, sage ich. »Ihr beide geht so schnell ihr könnt, ich jogge den Rest des Wegs.«
»Ich kann auch joggen«, sagt Adam.
Natürlich kann er das. Er hat Wahnsinnsbeine, eine unglaubliche Kondition und eine Sportlerlunge. Alles Dinge, die ich ihm mitgegeben habe.
»Schon, aber Aislin stolpert dabei immer und fällt hin«, erwidere ich.
Aislins Miene gibt mir Recht .
»Pass auf Aislin auf, ja?« Schon laufe ich los.
Es ist das erste Mal seit dem Unfall, dass ich jogge. Dabei war ich nicht sicher, ob ich es je wieder könnte. Meine Muskeln sind außer Übung, doch das Atmen geht zu meiner Überraschung leicht und mühelos. Zwar hätte ich statt der Jeans lieber Shorts an, aber trotzdem fühlt es sich gut an zu laufen. Mehr als das.
Ich erreiche den Paradise Drive und lasse die Querstraßen und Häuser hinter mir zurück. Die Straße macht eine Biegung. Auf der einen Seite ist Wald, auf der anderen eine offene Hügellandschaft.
Rechts, links, rechts, links. Ich habe meine optimale Laufgeschwindigkeit erreicht. Der vertraute Rhythmus beruhigt mich.
Rechts von mir kommt der gesplitterte Stumpf einer großen Kiefer in Sicht. Meine Nackenhärchen stellen sich auf.
Der Stumpf ist verwittert und grau, übel zugerichtet. Er steht schon lange hier.
Sechs Jahre, um genau zu sein.
Ich kenne diese Stelle. Einmal, mit dreizehn, habe ich mich gezwungen herzukommen. Ich habe die scharfen Kanten des gesplitterten Holzes berührt. Es war noch voller Saft, aber tot.
Einmal reichte mir.
Jetzt, zu Fuß, kann ich die Stelle nicht umgehen. Meine Kehle ist wie zugeschnürt, von mühelosem Atmen ist keine Rede mehr.
Hier ist mein Vater gestorben. Er ist mit seinem Auto gegen diesen Baum geprallt, als er von der Straße abkam. Und dann ist er die Böschung da hinuntergestürzt.
Ich will weiterrennen, aber meine Beine lassen es nicht zu. Ich werde langsamer, bleibe schließlich stehen.
Ich lasse den Kopf hängen, schlinge die Arme um mich und beginne zu schluchzen.
Nein, dafür ist jetzt keine Zeit.
Ich atme ein paarmal tief durch und renne wieder los, noch schneller als zuvor. Rechts, links, rechts, links.
Von der Straße aus kann man das Hauptgebäude des Komplexes nicht sehen, nur den obersten Stock. Die Einfahrt ist zu steil zum Joggen. Stattdessen gehe ich mit riesigen Schritten bergab und kämpfe gegen die Schwerkraft.
Ich nähere mich dem Eingang der unterirdischen Garage. Das leuchtend weiße Mercedes-Cabrio meiner Mutter steht auf seinem reservierten Platz. Sie hat das Verdeck noch nie heruntergelassen.
Ich blicke zurück und frage mich, wie weit Adam und Aislin hinter mir sind. Denn ich habe Angst. Ich bin hergerannt, als hätte ich einen Plan. Zum ersten Mal in meinem Leben wünsche ich mir, ich hätte eine Art Waffe.
Ich sehe mich in der Garage nach einem Gegenstand um, den ich zur Verteidigung verwenden könnte. Meine Gedanken rasen, ich höre mich mit meiner Mutter sprechen.
Hi, Mom, Solo und ich haben dich gerade auffliegen lassen, aber wie geht es dir? Schöne Bluse übrigens. Ach, noch was: Ich brauche wieder Geld.
Mom, kann ich allein zu Hause bleiben, wenn du im Gefängnis bist? Bitte, ich
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