Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt
im Zimmer war. Noch nie war sie mir so weit weg erschienen wie in diesem Moment, meine einzige Verbindung zu ihr war zerbrochen. »Prinzessin?«, fragte der Soldat noch einmal. Er legte mir die Hand auf die Schulter, was mich zusammenfahren ließ. »Was habt Ihr denn?«
»Nichts«, sagte ich und drückte erneut auf den Knopf.
»Ich muss nur mit dem König sprechen.«
EINUNDZWANZIG
Der König befand sich auf einer Baustelle und kümmerte sich um ein Gebäude am Rande des Stadtzentrums. Als man ihn nicht benachrichtigen konnte, verlangte ich, zu ihm gebracht zu werden.
Der Wagen raste die verlassene Straße hinunter, vorbei an gewaltigen Gebäuden. Die Fontänen neben dem Palast schossen in die Höhe und hüllten die Passanten in einen feinen Nebel. Der Anblick hatte nun nichts Wunderbares mehr für mich. Ich dachte nur an das blasierte Lächeln auf Claras Gesicht, als sie mir von der Affäre des Königs mit meiner Mutter erzählt hatte. Während der ganzen Zeit in der Schule, selbst in der einsamsten, kurz nach meiner Ankunft, hatte ich die Erinnerungen an meine Mutter gehabt. Sie hatten mich auf der Flucht begleitet, in der Höhle, auf der Ladefläche von Fletchers Laster, sogar nach der Katastrophe im Keller. Claras Worte hatten alles in den Schmutz gezogen.
Wir fuhren eine lange Auffahrt zu einem hohen grünen Gebäude mit einem Löwen davor hoch. Die Soldaten eskortierten mich aus dem Wagen. Über dem Eingang hing eine weitere große Anzeigetafel, die verschiedene Werbespots brachte und der Tafel vor der Kunstgalerie ähnelte. Ein Bild von zwei Löwen wurde eingeblendet, darunter die Worte: DER ZOO IM MGM GRAND: ERÖFFNUNG NÄCHS-TEN MONAT! »Hier entlang«, sagte einer der Soldaten und führte mich hinein.
Am Eingang zur Haupthalle standen drei Soldaten. In dem riesigen Saal kam man vor Hitze fast um, die Luft stank nach Schweiß und Rauch. Strahler beleuchteten verschiedene Abschnitte des dunklen Gangs. Ein paar Meter vor uns kniete ein Junge über einem Eimer. Er war ein, zwei Jahre jünger als ich. Während er den Putz an den Wänden glatt strich, lief ihm der Schweiß über den Rücken. Als er aufsah, war sein Gesicht schmal und traurig.
»Der König sollte hier drüben sein«, sagte der andere Soldat und ging schneller, er hielt mich am Arm, während er mich eilig einen anderen Gang hinunterführte.
Ich drehte mich um und bemerkte zwei Jungen in meinem Alter, die einen Teppich verlegten. Ein älterer Arbeiter, vielleicht um die zwanzig, lief mit einer großen Holzkiste langsam den Gang hinunter. Als er an einem der Strahler vorbeikam, konnte ich sein Gesicht erkennen, das ausgemergelt und krank aussah, die Augen lagen tief in den Höhlen. Auf seiner Schulter prangte dieselbe Tätowierung, die auch Caleb hatte. Irgendwo über uns war ein nervtötendes Bohrgeräusch zu hören.
»Wo ist er?«, fragte ich mit ausdrucksloser Stimme. Ich ging schneller, entschlossener, und dachte an die Jungen in der Höhle.
Die Soldaten liefen vor mir auf ein leuchtendes blaues Licht zu. Sie sahen einander an, auf ihren Gesichtern lag Unsicherheit, wahrscheinlich fragten sie sich, ob es richtig gewesen war, mich herzubringen.
»Genevieve«, ertönte eine Stimme. Am Ende des Gangs erschienen zwei vom Licht angestrahlte mannförmige Umrisse. »Was tust du hier?«
»Ich muss mit dir reden«, erklärte ich. Der König stand neben Charles, der einen glücklichen Eindruck machte – als er meinen Gesichtsausdruck sah, verschwand sein Lächeln allerdings. Ich drängte an ihnen vorbei in den großen Raum mit dem unheimlichen Licht. Die Wände waren aus Glas und in mehrere Schaukästen mit Pflanzen und Kunstfelsen unterteilt.
»Würden Sie uns bitte eine Minute entschuldigen?«, fragte der König schließlich. Die Schritte der Männer hallten im Gang wider. Der König stellte sich vor eine Vitrine mit gelbem Gras neben mich. Ganz oben lag ein Puma auf einem flachen Felsen ausgestreckt, seine Rippen standen seitlich hervor.
»Sie hat es mir erzählt«, sagte ich und drehte mich nicht um, um ihn anzusehen. »Clara hat mir von deiner Frau erzählt. Sie behauptete, meine Mutter sei deine Geliebte gewesen.« Mein ganzer Körper glühte. »Stimmt das?«
Der König wandte sich wieder zum Gang, Charles und die Männer waren gegangen. »Es ist kein günstiger Zeitpunkt, um darüber zu reden«, sagte er. »Du hättest nicht herkommen sollen.«
»Es wird nie einen günstigen Zeitpunkt geben, um darüber zu reden.« Ich starrte ihn
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