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Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden

Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden

Titel: Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Carey
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worden. Über ein Jahrzehnt war es verbarrikadiert gewesen, in seinem Inneren noch immer die Gebeine der Opfer. Einige Blumen lagen auf dem Boden – verwelkte Rosen und vertrocknete Gänseblümchen.
    Die Baustelle war von einem Sperrholzzaun umgeben, doch es gab einige Öffnungen, die den Blick auf den gigantischen Krater in der Erde freigaben. Ich stieg aus und ging auf ein Loch im Zaun zu. »Genevieve«, hörte ich ihn hinter mir rufen. »Das ist nicht für deine Augen bestimmt.«
    Etwa zehn Meter unter mir befand sich ein riesiger Haufen Schutt. Ein Bulldozer schob Reste der Betonmauern zum Rand des Fundaments. Ein Bagger stand reglos da, die riesige gelbe Faust herabgesenkt. Auf der gesamten Baustelle räumten Jungs aus den Arbeitslagern Ziegel und Asche mit Schaufeln und Schubkarren weg. Sie waren dünner als die Jungs, die ich neulich in der Stadt gesehen hatte. Es hatte Gerüchte gegeben, dass die Jungs, die während der Befreiung der Lager hier gewesen waren, nun hier festsaßen und doppelt so hart arbeiten mussten, um den Verlust der anderen auszugleichen.
    Einer der älteren wies von unten zu uns herauf. Charles drehte sich um und stieg die Rampe hoch, wobei er für einen Moment neben einem verworrenen Haufen aus Stahlstreben und Beton innehielt. Er brüllte zwei kleineren Jungs mit nacktem Oberkörper etwas zu. Sie rannten gerade am anderen Ende der Baustelle herum und traten dabei gegen irgendetwas Rundes. Ich blinzelte ins Sonnenlicht und konnte langsam zwei dunkle Höhlen in dem Gegenstand ausmachen. Es war ein menschlicher Schädel.
    Überwältigt von dem trockenen Gestank hielt ich mir die Hand vor die Nase. Ich hatte gehört, dass Hunderte in diesem Hotel begraben lagen, ihre Leichen in Laken und Handtücher gewickelt. Es gab Gerüchte, dass einige von ihnen zwar an der Seuche erkrankt, aber noch am Leben gewesen seien, als sie hier abgeliefert wurden; dass ihre verängstigten Familienmitglieder sie in ihren letzten Stunden hier allein zurückgelassen hatten. Eine Staubschicht hatte sich auf sämtliche Oberflächen im Umkreis von vierhundert Metern gelegt. Der Bürgersteig, die Gebäude in der Umgebung, die verrosteten Autos, die ohne Räder auf einem verlassenen Parkplatz standen – alles war von einer dünnen grauen Schicht überzogen.
    Ich hielt den Kopf gesenkt, als Charles über die Sperrholzrampe, die am Rand der Grube verankert war, auf uns zukam. Ich schob den Daumen unter den Riemen meiner Tasche und rief mir ihren Inhalt ins Gedächtnis. Selbst wenn ich rannte, war der nächste Tunnel immer noch dreißig Minuten entfernt. Meine beste Chance war, mit meinem Vater zurückzufahren und aus dem Wagen zu springen, wenn wir auf die Hauptstraße bogen. Von dort wären es nur zehn Minuten zum südlichen Tunnel. Wenn ich die Gassen in den Außenbezirken nutzte und schnell genug lief, würden mich die Soldaten, die mich verfolgten, vielleicht aus den Augen verlieren.
    »Wir haben Neuigkeiten für dich«, rief mein Vater, als Charles sich näherte. Die Schultern seiner dunkelblauen Jacke waren staubbedeckt. Er nahm den gelben Schutzhelm ab und barg ihn in seinen Armen wie ein Baby.
    Sein Blick glitt von meinem Vater zu mir, dann zu dem Wagen, der hinter uns wartete. Der Soldat stand davor, das Gewehr über der Schulter. »Scheint etwas Wichtiges zu sein. Ich kann mich nicht erinnern, dass Genevieve mich zuvor schon einmal bei meiner Arbeit besucht hätte.«
    Der König legte mir die Hand auf den Rücken und schob mich sachte vorwärts. »Na los, Genevieve«, flüsterte er. »Überbringe Charles die freudige Nachricht.« Er beobachtete mich, die Augen fest auf mein Profil gerichtet.
    Es war vorbei, das konnte ich fühlen, als mein Blick auf Charles’ Gesicht fiel. Er sah gleichzeitig hoffnungsfroh und nervös aus, als er eine Strähne schwarzen Haares glattstrich, die ihm in die Augen gefallen war. Ich holte tief Luft und hielt sie in meinen Lungen, bis ich es nicht mehr aushielt. »Ich bin schwanger«, sagte ich erstickt. »Ich bin mir sicher, die Stadt wird begeistert sein.«
    Der Bulldozer fuhr über die Baustelle unter uns und ein leises Piepsen drang bis zu uns herauf. Ich legte die Hand auf meine Brust, wo ich mein Herz unter meinem Brustbein schlagen fühlte. Das gleichmäßige Pochen beruhigte mich. Sag es einfach, dachte ich, während ich beobachtete, wie Charles den Kopf hängen ließ und auf den Boden sah. Zieh es nicht noch weiter in die Länge.
    »Genau wie ich.« Er kam auf mich zu,

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