Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden
Moment trieb es noch über dem Abfluss, bevor es hinabgesogen wurde.
Ich ließ etwas von dem Oleanderextrakt auf die Ablage rieseln und presste das Pulver dann in die feste Hülle der Kapsel. Ich drückte die eine Hälfte ein wenig zusammen und schob die andere Hälfte darüber, dann ließ ich die Kapsel zurück ins Fläschchen fallen. Gerade als ich mit der zweiten Kapsel beschäftigt war, klopfte mein Vater an die Tür. Das Geräusch hallte in dem leeren Raum wider und trieb mir eine Gänsehaut über die Arme. »Ist alles in Ordnung?«, fragte er. Der Türknauf drehte sich, gab jedoch nicht nach.
»Einen Moment noch«, rief ich.
Mit schnellen Bewegungen machte ich die zweite Kapsel und noch drei weitere fertig und streute das restliche Gift ins Waschbecken. Ich schraubte den Deckel auf das Fläschchen, sorgfältig darauf bedacht, dass ich es genau so zwischen die zwei Blechkistchen zurückstellte, wie ich es vorgefunden hatte. Dann wusch ich mir die Hände, wobei ich das kalte Wasser über meine Finger laufen ließ, bis sie taub waren. Ich spritzte mir etwas davon ins Gesicht und ließ den Beutel zurück in meine Tasche gleiten.
Als ich aus der Tür trat, stand mein Vater direkt davor, nur wenige Zentimeter von mir entfernt. Er hielt die Arme vor der Brust verschränkt. »Fühlst du dich besser?«, fragte er, während sein Blick für einen Moment an meinen Händen hängen blieb, die noch nass waren.
Ich drückte sie an meine Wangen, in der Hoffnung, die aufgeweichte rote Haut wieder in ihren Normalzustand zu versetzen. »Ich muss mich hinlegen«, antwortete ich. »Ich werde es nicht bis in die Außenbezirke schaffen. Nicht in diesem Zustand.«
Mein Vater neigte den Kopf und musterte mich aufmerksam. »Ich kann nicht alleine zu Charles gehen«, sagte er. »Komm jetzt, wir bleiben nicht lang. In einer halben Stunde bist du zurück.« Seine Züge verhärteten sich und mir war klar, dass er keine weitere Diskussion dulden würde. Seine Hand schloss sich um meinen Arm und er führte mich zur Tür.
* **
Die Fahrt schien kein Ende zu nehmen. An jeder Ecke bremste der Wagen ruckartig ab, um dann genauso ruckartig wieder anzufahren, während die Luft im Inneren schwer vom Geruch des Leders und dem Parfüm meines Vaters war. Ich öffnete das Fenster, um etwas frische Luft zu schnappen, doch in den Außenbezirken stand der trockene Gestank von Staub und Asche. Meine Hand lag auf meinem Bauch und tastete das weiche Fleisch nach einer Wölbung ab, die es noch nicht gab. Ich hatte bemerkt, dass meine Periode ausgeblieben war, und hatte mich schon gefragt, ob es möglich sein konnte, dass ich schwanger war, doch in den vergangenen Wochen war so schnell so viel passiert, dass ich nicht dazu gekommen war, länger darüber nachzudenken.
Moss hatte ein abgetragenes T-Shirt aus der Kiste mit Sachen aus dem Flugzeughangar gestohlen. Auf dem Label im Kragen stand ein C und der Stoff war ganz dünn, so oft war es getragen worden. Allein in der Suite, Calebs zerknülltes T-Shirt in den Händen, war ich mir sicher, dass ein Teil von mir mit Caleb gestorben war. Ich konnte nichts mehr fühlen, zumindest nicht so wie damals, als er hier in der Stadt gewesen war. Die Tage im Palast schienen mir endlos, angefüllt mit gestelzten Unterhaltungen und Menschen, die in mir nicht mehr als die Tochter meines Vaters sahen.
Ich knibbelte an der dünnen Haut an meinen Fingernägeln, während ich zusah, wie der Wagen der Baustelle immer näher kam. Die Liste von Kränkungen, die ich Charles hatte zuteilwerden lassen, wog schwerer und schwerer. Alles, was ich getan oder unterlassen hatte, wurde in meinem Kopf zu einem weiteren Grund, weshalb er meinem Vater die Wahrheit sagen würde. Ich war diejenige gewesen, die darauf bestanden hatte, dass er das Bett in jener ersten Nacht verlassen solle. Ich konnte es nicht ertragen, wenn er mich zu lange ansah, wenn er zu oft mit mir sprach, wenn er zu oft mit meinem Vater sprach oder irgendetwas Positives über das Regime sagte. Obwohl es Augenblicke gab, in denen die Situation erträglich war, war der Großteil der Zeit, die wir gemeinsam in der Suite verbrachten, geprägt von seinen Fragen und Bemühungen und meinem Schweigen oder meiner Kritik.
»Genevieve, ich rede mit dir«, sagte mein Vater. Ich zuckte zusammen, als er meinen Arm berührte. »Wir sind da.«
Der Wagen hatte vor einer Abbruchstelle gehalten. Ein altes Hotel, das während der Epidemie als Leichenhalle gedient hatte, war abgerissen
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