Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden
Wasser gerannt und drängten sich so dicht um uns, dass ich ihre erstickten Atemzüge hören konnte. »Bring sie nach drinnen«, rief ich Clara zu, als einige von ihnen zu weinen anfingen.
»Stirbt sie?«, fragte Sarah. Clara zog sie hinter sich über das Ufer, während sie die restlichen Mädchen vor sich hertrieb. Ihre Frage wurde zu meiner eigenen. Ich kniete mich neben Pip, legte ihr die Finger an die Wange und spürte, wie kalt ihre Haut war. Ihr Gesicht hatte keine Farbe mehr. Auf ihren Armen perlten blassrosa Wassertropfen.
Das Blut strömte weiter aus ihr heraus und sammelte sich unter ihr zu einer Pfütze, von wo aus es in den Sand sickerte. Während Beatrice sich vorbeugte, um ihr Luft in die Lunge zu blasen, strich ich ihr das Haar glatt. Wieder und wieder strich ich sanft über die weichen Locken, die ihre Stirn umrahmten, als könnte diese einfache Geste sie am Leben halten.
* **
Am nächsten Morgen sammelte ich die Kiesel vom Boden, methodisch, sorgfältig darauf bedacht, keinen einzigen zu übersehen. Nachdem ich auch den letzten in die Schale hatte fallen lassen, blieb ich einfach dort sitzen und starrte auf die frisch umgegrabene Erde. Über mir schwankten die Bäume, ließen sich vom Wind vor und zurück bewegen. Ich erwischte mich dabei, wie ich in meinem Kopf auflistete, was alles zu tun war, und die Handlungen im gleichen Moment ausführte. Hatte ich sämtliche Spuren der Beerdigung verwischt? Hatte ich alle Blumen eingesammelt, die die Mädchen niedergelegt hatten? War der Boden so flach wie die Umgebung und das Grab gut genug verborgen, dass es keiner finden würde? Diese winzigen Details waren das Einzige, was mich beruhigen konnte.
Das Grab war mehr als einen Meter tief. Beatrice kannte dieses Maß noch von den Bestattungen während der Epidemie – tief genug, dass niemand es bemerken und die Totenruhe stören würde. Wir hatten uns für die weiße Birke am Waldrand entschieden und sie dort gleich am Fuß des Stammes begraben, sodass ich die Stelle jederzeit wiederfinden konnte. Ich war diejenige gewesen, die ihren Leichnam für die Bestattung hergerichtet hatte, indem ich den Schmutz und das Blut abgewaschen und ihr Haar gekämmt hatte. Ich hatte sie in eine der Decken aus der Höhle gewickelt, einen weichen grauen Quilt, dessen rosa Stickmuster noch vollständig intakt war. Ruby hatte zu ihren Ehren eine kleine Ansprache gehalten. Es hätte sich falsch angefühlt, es nicht zu tun, auch wenn wir alle immer wieder in Schweigen verfielen. Die Stunden waren an mir vorübergerauscht, wie auch die kleine, stille Beerdigung. Wie auch ihr Tod. Ich konnte nicht mithalten. Ich klaubte ein vereinzeltes Blütenblatt vom Boden und zerdrückte es zwischen den Fingern. Als es auseinanderbrach, gab mir das irgendwie ein Gefühl der Zufriedenheit.
Beatrice glaubte, dass sie schon eine ganze Weile krank gewesen war. Dass sie innere Blutungen gehabt hatte. Sie hatte so schnell so viel Blut verloren. Es war in den Sand gesickert und hatte Flecken am Strand zurückgelassen. Ich konnte es immer noch sehen, obwohl Clara versucht hatte, es wegzuwaschen. Ein dunkler Fleck breitete sich entlang des Wassers aus und färbte die Steine rötlichschwarz.
Ich fühlte mich anders als nach Calebs Tod. Der Schmerz zerriss mich nicht. Während der gesamten Zeremonie weinte ich nicht ein einziges Mal. Ich saß einfach nur da, lauschte Rubys Worten wie aus weiter Ferne und fühlte mich vollkommen abwesend, als würde ich irgendwo über der Gruppe dahinschweben. Ich versuchte, mich so weit zurückzuerinnern, wie ich nur konnte. Ich versetzte mich an den Tag zurück, als ich sie in der Schule besucht hatte, und fragte mich, ob es wohl einen Unterschied gemacht hätte, wenn sie damals entkommen wäre. Wann war sie so krank geworden? Wie hatte ich übersehen können, was in ihr vorging? Sie hatte über Erschöpfung geklagt, aber über sonst nichts.
Irgendwo hinter mir brach ein Zweig. Ich drehte mich um und sah Clara zwischen den Bäumen hervortreten. »Es wird Zeit, Eve«, sagte sie. »Die Pferde sind bereit. Wenn wir jetzt aufbrechen, können wir ein Lager errichten, bevor es dunkel wird.«
Der Boden vor mir war geglättet, die Kiesel, die das Grab gesäumt hatten, waren zu einem sauberen Haufen aufgetürmt. Ich schob ein wenig vom Unterholz über das Grab. Clara bückte sich, um mir zu helfen. Zusammen streuten wir getrocknete Blätter und Zweige aus, bis die ganze frisch ausgehobene Erde bedeckt war. Als wir den
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