Evil - Das Böse
an den Haaren zog oder ins Ohr kniff, wenn jemand auf ihre einfältigen Fragen nach der Kommasetzung eine falsche Antwort gab.
War es so einfach? Lag es an den Lehrern, dass die, die schlugen, Ärger bekamen, und die, die nicht schlugen, vor lammfrommen Knaben standen? Oder lag es möglicherweise an Erik, daran, dass die, die schlugen, das Bild seines Vaters heraufbeschworen und Eriks Widerstandskräfte mobilisierten, weshalb die, die zu seiner Clique gehörten oder Angst vor der Clique hatten, sich an den Schikanen beteiligten, sobald Erik loslegte?
Erik kam zu keinem Ergebnis. Aber die Lehrer auch nicht, und wenn sie im Kollegium noch so wütende Diskussionen abhielten, bei denen die Hälfte Erik als sanft und fügsam beschrieb, als fleißig und ungeheuer begabt und ehrgeizig, während die andere Hälfte in ihm einen bösartigen kleinen Verbrecher sah, der in der Mittelschule nichts zu suchen hatte, sondern lieber in eine Erziehungsanstalt oder eine Mechanikerlehre gesteckt werden sollte. Erik begegnete diesen beiden Bildern von sich in ihren hasserfüllten Schmähreden oder ihrem Lob nach den Stunden. Er neigte zu der Ansicht, dass eigentlich beide Seiten Recht hatten.
Gut war das nicht. Aber zum einen musste man sich gegen die Schläger wehren. Zum anderen war er der Anführer der Clique und trug die Verantwortung für die Organisation des Widerstandes. Wenn er Ziege nicht fertig gemacht hätte, dann hätte es niemand getan.
Also konnte er sich nicht anders verhalten, es sei denn, er hätte die Clique aufgegeben und sich selbst überlassen, was immer dabei herausgekommen wäre. Sie waren aber seine einzigen Freunde auf der Welt. Falls es so war - vielleicht hatten sie auch nur Angst vor ihm, vielleicht war nur einer nötig, der bestimmte und alles organisierte, und konnte man mit dem, der über einen bestimmte und alles für einen organisierte, gar nicht befreundet sein.
Der organisatorische Aufwand in der Clique war im letzten Jahr gewachsen. Das lag einerseits daran, dass Erik die Zinsen gesenkt und damit das Wuchergeschäft ausgeweitet hatte. Es gab mehr Schuldner und beim Eintreiben waren nicht mehr so viel Prügel nötig; nötig waren jetzt Buchführung, Ordnung und Überblick. Der dicke Johan hatte sich für diese Aufgabe angeboten und war in die Clique aufgenommen worden. Der dicke Johan hatte jede einzelne Schuld im Kopf und verwaltete die Darlehenskasse gegen ein kleines Salär. Durch seine Mitgliedschaft in der Clique hatte sich der dicke Johan von allen Plagen befreit, die ihm sein Äußeres bisher eingetragen hatte, denn als Angehöriger der Clique musste er von den anderen verteidigt werden.
Der dicke Johan war auch für die Plattendiebstähle zuständig, als sie ihre Geschäftstätigkeit um dieses Feld erweiterten.
Es hatte recht einfach begonnen. Göran und Kicke und Leuchtturm waren in ein nahe gelegenes Schallplattengeschäft gegangen, und als der Verkäufer gerade nicht hinschaute, hatten sie sich einen Stapel Platten von Elvis und Pat Boone unter ihre Lederjacken gesteckt und waren gegangen. Erik konfiszierte die Scheiben und verkaufte sie mithilfe des dicken Johan auf dem Schulhof, um dann das Geld in die gemeinsame Kasse zu geben. Damit war die Idee geboren.
Einige Monate später hatte das Ganze beängstigend große Ausmaße angenommen. Die halbe Schule wollte bei der Clique die neuesten Schallplatten bestellen. Der Preis auf dem Schulhof war um fünfzig Prozent reduziert.
Die zehn nächstgelegenen Schallplattenläden wurden systematisch nach einem von Erik aufgestellten Plan besucht. Sie wurden gewissermaßen gegen den Uhrzeigersinn bestohlen. Man konnte schließlich nicht dauernd mit demselben Trick im selben Laden arbeiten.
Der Trick war einfach. Knabe Nr. 1 ging in den Laden und fragte nach irgendeiner klassischen Aufnahme, die er sich anhören wollte. In der Mittagspause gab es in den Läden nur wenige Verkäufer, und während einer nun murrend in den Regalen suchte, gingen Knabe Nr. 2 und 3 zu den Regalen mit den attraktivsten Scheiben, schauten auf ihre Merkzettel und fischten so viele »Rock ‘n’ Roll III« oder »Tutti Frutti« von Little Richard oder was auch immer heraus wie möglich. Dann gingen sie wieder. Knabe Nr. 1 blieb und hörte sich seine klassische Aufnahme an. Danach kaufte er sie und ging (und warf die Platte in den nächsten Papierkorb).
Das war das System und die Geschäfte liefen großartig. Der Gewinn wurde gerecht verteilt und diente dem kollektiven
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