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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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bezüglich der Konsensfähigkeit der Wissenschaften wohl etwas zu optimistisch, denn oftmals gelingt auch dort die Einigung auf eine gemeinsame Theorie eben nicht oder jedenfalls nicht zufriedenstellend.
    Im Rahmen von Selbstläuferprozessen setzen sich dann zuweilen Theorien durch, die erkennbar falsch sind, die aber von starken Interessengruppen am Leben erhalten werden. Beispielhaft können hier die Fetthypothese der Ernährungswissenschaften 125 , die Vereinbarkeitshypothese der Soziologie 126 und die Leere-Blatt-Hypothese der Psychologie 127 genannt werden. Invergangenen Epochen gerieten viele wissenschaftliche Erkenntnisse mit widersprechenden religiösen Vorgaben in Konflikt.
    In nichtentscheidbaren Wissenschaftsdisziplinen entstehen oft ganze Schulen, die ihre jeweils präferierten Theorien durch immer neue Resultate reproduzieren und verfestigen (Selbsterhaltungsinteresse), und dadurch alternativen – und möglicherweise zutreffenderen – Ansätzen von vornherein keine Chance geben. Oft etablieren sich auf diese Weise gleich mehrere konkurrierende und sich gegenseitig widersprechende Theorien und Schulen nebeneinander (zum Beispiel LowFat versus LowCarb).
    Auf ein vergleichbares Problem wurde bereits im Rahmen der Ausführungen zur sexuellen Selektion hingewiesen. Auch hier könnten temporäre Selbstläuferprozesse in Gang gesetzt werden, bei denen eher weniger gut an den aktuellen Lebensraum angepasste Fortpflanzungspartner im Vorteil sind. Auf lange Sicht würden sich solche Fehlentwicklungen jedoch nicht halten können. Dies ist in den Wissenschaften zumindest im Falle der Vereinbarkeitshypothese schon sehr bald zu erwarten, denn deren gesellschaftliche Folgerungen sind dermaßen desaströs, dass sich schon in naher Zukunft keine ausreichend starken, sie unterstützenden Interessengruppen mehr finden dürften.
    Wie wir gesehen haben, können in sich sexuell fortpflanzenden Populationen ungünstige Selbstläuferprozesse dann weitestgehend vermieden werden, wenn sich die Individuen bei der sexuellen Selektion auf sogenannte teure Signale – zum Beispiel Handicaps – verständigen. Denn in diesem Fall dürfte die von einem Individuum angezeigte Fitness auch dessen tatsächlicher Fitness entsprechen, da das Hervorbringen des geforderten Signals eine entsprechend hohe Leistungsfähigkeit verlangt. Täuschungen sind dann praktisch ausgeschlossen. Auf diese Weise wird ein Bezug zur Wirklichkeit hergestellt.
    Im Wissenschaftsprozess steht dafür normalerweise die Empirie. So wird beispielsweise in den Naturwissenschaften erwartet, dass aus einer guten Hypothese möglichst viele empirisch überprüfbare Prognosen ableitbar sind, und sie somit auf vielfältige Weise falsifizierbar ist. Ein Wissenschaftler muss sich folglich mit seiner Theorie (Hypothese, Paradigma) der Wirklichkeit stellen. Je besser und vielfältiger das möglich ist, desto größer ist auch der empirische Gehalt seiner Theorie. Man könnte auch sagen: Je umfassender sich eine Hypothese falsifizieren lässt, desto größer ist ihr Handicap (beziehungsweise das des Wissenschaftlers). Bei einer umfassenden Falsifizierbarkeit einer Theorie handelt es sich folglich um ein teures Signal.
    Allerdings gelten diese einfachen Prinzipien nicht für alle Wissenschaftsdisziplinen. So werden etwa gelegentlich Evidenzen mit Eminenzen verwechselt: Es kommt dann weniger darauf an, was gesagt wird, sondern vor allen Dingen, wer es sagt. Dies gilt insbesondere für alle Gemeinschaften, die ihre Resultate überwiegend im Diskurs verhandeln. Aber auch in sogenannten echten empirischen Wissenschaften ist der Bezug zur Wirklichkeit nicht immer zweifelsfrei herstellbar. Es kann dann vorkommen, dass das gleiche empirische Resultat für eine Gruppe eine Bestätigung ihrer Theorie darstellt, für eine andere Gruppe aber deren Falsifikation.
    Berücksichtigt man zusätzlich noch, dass wissenschaftliche Communities üblicherweise keine externen Kontrollinstanzen zur Ergebnisüberwachung besitzen und sich ausschließlich selbst organisieren, dann kann man erahnen, dass sich Forschungsprozesse auch schon einmal weitestgehend verselbstständigen können.
4.24 Evolution im Sport
    Auch die Entwicklung des Leistungssports folgt den Prinzipien der Systemischen Evolutionstheorie.
    Dies soll am Beispiel des Profifußballs verdeutlicht werden.
    Betrachten wir dazu einmal die Fußball-Bundesliga als eine Population, die sich zu jedem Zeitpunkt aus 18 Individuen zusammensetzt, und

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