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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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haben, als sie ernähren können, so greift einfach der Staat ein, das heißt der Rest der Bevölkerung, und hält die überzähligen Kinder am Leben und bei Gesundheit. Es gibt in der Tat nichts, was ein Ehepaar, welches keinerlei materielle Mittel besitzt, daran hindern könnte, so viele Kinder zu haben und aufzuziehen, wie die Frau physisch verkraften kann. Aber der Wohlfahrtsstaat ist eine sehr unnatürliche Sache. In der Natur haben Eltern, die mehr Kinder bekommen, als sie versorgen können, nicht viele Enkel, und ihre Gene werden nicht an zukünftige Generationen vererbt.
    Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich mit einem Fortschreiten der weiblichen Emanzipation und insbesondere einer weiteren Steigerung der Frauenerwerbsquote die Situation für Frauen und Männer immer weiter angleichen wird, da es dann selbst für beruflich erfolgreiche Männer immer schwerer werden dürfte, eine adäquate Lebensgefährtin zu finden, die bereit ist, für die Gründung einer größeren Familie für eine längere Zeit auf ihren Beruf zu verzichten. Dafür sprechen allein schon die festgestellte Bildungshomogamie bei Paaren (Eggen/Rupp 2006: 56) und IQ-Korrelation bei Ehepaaren (Bouchard/McGue 1981). Auch scheint eine generelle genetische Homogamie bei der Partnerwahl eine nicht zu unterschätzende Rolle zu spielen (Voland 2007: 62).
    Ferner übertragen sich die hohen Opportunitätskosten von Kindern bei einer gesellschaftsweit angestrebten paritätischen Aufteilung der Familienarbeit unmittelbar auch auf die Männer.
    In modernen menschlichen Gesellschaften spielen – aufgrund der allgemeinen Verfügbarkeit leistungsfähiger Kontrazeptiva – die unterschiedlichen Reproduktionsinteressen der Individuen eine entscheidende Rolle. Ein Maß für das Reproduktionsinteresse eines Menschen könnte dessen Kinderwunsch (Zahl an gewünschten Nachkommen) sein. Allerdings lässt sich ein solcher Kinderwunsch nicht immer zweifelsfrei messen. Eine Frau, die etwa eine Managementkarriere in einem international operierenden Konzern anstrebt und gleichzeitig eine größere Familie mit vier oder mehr Kindern haben möchte, hat in aller Regel einen unrealistischen Kinderwunsch. Haben ihre beruflichen Ziele für sie oberste Priorität, dann hat sie faktisch ein geringes Reproduktionsinteresse.
    In den Industrienationen besteht nun aber im Allgemeinen ein negativer Zusammenhang zwischen Reproduktionsinteresse und sozioökonomischem Status beziehungsweise Bildungsniveau (siehe dazu den Abschnitt
Reproduktionsinteresse
auf Seite → ), was einer Verletzung des Prinzips
Reproduktionsinteresse
der Systemischen Evolutionstheorie gleichkommt, denn dieses setzt ja ganz explizit voraus, dass das Reproduktionsinteresse der Individuen einer Gesellschaft nicht negativ mit deren Anpassungsgrad an den Lebensraum (in diesem Fall: das soziale Umfeld) korreliert.
    Aber damit nicht genug: In den Industrienationen ist nun das Reproduktionsinteresse ihrer Mitglieder meist durchschnittlich so niedrig (siehe den Abschnitt
Reproduktionsinteresse
auf Seite → ), dass die gesellschaftliche Reproduktion nicht einmal mehr mengenmäßig bestandserhaltend ist, und somit massive Alterungs- und in der Folge dann auch Schrumpfungsprozesse zu verzeichnen sind (siehe dazu die Ausführungen im Kapitel
Demographischer Wandel
auf Seite → ). Zuverlässige Kontrazeptiva, die Angleichung der Lebensentwürfe beider Geschlechter, leistungsfähige Alterssicherungssysteme und weitere soziale Maßnahmen haben die Reproduktionsinteressen der Individuen von den biologischen Grundlagen abgetrennt und zu einer ökonomisch abschätzbaren Größe werden lassen. Dabei ist dann das zum Vorschein gekommen, auf das auch Biologen schon immer hingewiesen haben: Die Fortpflanzung ist ganz wesentlich eine altruistische Tätigkeit. Sie macht in modernen Gesellschaften aus Sicht eines „egoistischen“ Individuums nicht mehr unbedingt Sinn. Sie ist primär eine Sache der Population (siehe dazu auch die Ausführungen im Abschnitt
Arterhaltung versus Eigennutz
auf Seite → ) oder des Nachwuchses selbst (also originär altruistisch), und folglich ein ständiges öffentliches Thema.
    An dieser Stelle sei noch einmal auf einen entscheidenden Punkt hingewiesen. Für die
Darwinsche Evolutionstheorie
ist die natürliche Auslese so etwas wie ein Naturprodukt, in das keinerlei künstliche Eingriffe – wie sie der Sozialdarwinismus vorschlug – erforderlich sind. Die natürliche Auslese ergibt sich

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