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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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für sie im Rahmen der Evolution ganz von selbst.
    Die vorliegende Arbeit konnte dagegen zeigen: Dies gilt nur dann, wenn sich alle Individuen einer Population gleichermaßen fortpflanzen wollen, präziser: wenn Fitness und Fortpflanzungsinteresse der Individuen nichtnegativ korrelieren, wie es in der
Systemischen Evolutionstheorie
dann auch entsprechend als Evolutionsprinzip formuliert ist.
    Da es dem Menschen jedoch gelungen ist, sein Fortpflanzungsinteresse zu beherrschen, kann in modernen menschlichen Gesellschaften von einer solchen Grundannahme nicht mehr ausgegangen werden, speziell dann, wenn weitere gesellschaftliche Rahmenbedingungen in andere Richtungen weisen. Wie der vorliegende Abschnitt aufzeigen konnte, wird das individuelle Reproduktionsinteresse nämlich maßgeblich durch die Organisation des Paarungssystems – zu der auch der gesellschaftliche Konsens zur Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern zählt – und des Wirtschaftssystems mitbestimmt. Anders gesagt: Der Überlebenserfolg eines Individuums hängt nicht nur – im Sinne eines
Survival of the Fittest
– von dessen Tauglichkeitab, sondern ganz entscheidend auch von den in der Population geltenden organisatorischen Rahmenbedingungen, die einen erheblichen Einfluss auf sein persönliches Reproduktionsinteresse nehmen können.
    Die Darwinsche Evolutionstheorie ist folglich nicht allgemein genug formuliert, um auf moderne menschliche Gesellschaften angewendet werden zu können. Das
Central Theoretical Problem of Human Sociobiology
stellt letztlich eine Falsifizierung des Prinzips der natürlichen Auslese (
Survival of the Fittest
) der Darwinschen Evolutionstheorie dar.
    Damit sind die beiden Thesen zum Central Theoretical Problem of Human Sociobiology begründet.
    Der moderne Mensch hat indirekt auch Richard Dawkins’ Theorie vom „egoistischen Gen“ widerlegt. Die Vorstellung, Individuen seien in erster Linie
Überlebensmaschinen
ihrer Gene (Dawkins 2007: 63), kann nicht überzeugend erklären, warum Menschen, sobald Kinder gegenüber Alternativen wie beruflichem Erfolg, Automobilen oder Urlaubsreisen ökonomisch aufrechenbar sind, sich ganz häufig für den Beruf, das Auto oder die Urlaubsreise und gegen den eigenen Nachwuchs entscheiden. Unter dem Paradigma des „egoistischen Gens“ dürfte es das
Central Theoretical Problem of Human Sociobiology
eigentlich überhaupt nicht geben, und zwar ganz unabhängig davon, ob Menschen Zugriff auf leistungsfähige Mittel zur Familienplanung besitzen oder nicht.
    Richard Dawkins entgegnet solchen Einwänden gegen seine Theorie mit den folgenden Argumenten (Dawkins 2007: 334):
    Wir haben die Macht, den egoistischen Genen unserer Geburt und, wenn nötig, auch den egoistischen Memen unserer Erziehung zu trotzen. Wir können sogar erörtern, auf welche Weise sich bewusst ein reiner selbstloser Altruismus kultivieren und pflegen lässt – etwas, für das es in der Natur keinen Raum gibt, etwas, das es in der gesamten Geschichte der Welt nie zuvor gegeben hat. Wir sind als Genmaschinen gebaut und werden als Memmaschinen erzogen, aber wir haben die Macht, uns unseren Schöpfern entgegenzustellen. Als einzige Lebewesen auf der Erde können wir uns gegen die Tyrannei der egoistischen Replikatoren auflehnen.
    Und an anderer Stelle (Dawkins 2007: 496):
    Wir, das heißt unser Gehirn, sind ausreichend getrennt und unabhängig von unseren Genen, um gegen sie rebellieren zu können. Wie ich bereits sagte, tun wir dies immer dann im Kleinen, wenn wir Empfängnisverhütung betreiben. Nichts spricht dagegen, uns auch im Großen gegen unsere Gene aufzulehnen.
    Die Argumentation Richard Dawkins’ in dieser Sache ist leider alles andere als schlüssig. Folgt man den Biologen, dann geht es Lebewesen primär um
Selbsterhalt
und
Fortpflanzung
(Maturana/Varela 1990: 129; Zahavi/Zahavi 1998: 221f.; Uhl/Voland 2002: 35; Schmidt-Salomon 2006: 17; Wickler/Seibt 1991). Einige biologische Fachdisziplinen gehen noch weiter und fokussieren primär auf den Fortpflanzungserfolg (Weber 2005: 186):
    Tierisches Verhalten von der Nahrungssuche bis zur Partnerwahl mit einem solchen Anpassungsdenken, das den individuellen Fortpflanzungserfolg ins Zentrum stellt, zu erklären, ist das Gebiet der Verhaltensökologie.
    Wie ich bereits dargelegt habe, gibt es dabei jedoch ein Problem: Aus Sicht des Individuums ist die Fortpflanzungstätigkeit (die Summe aller Reproduktionsaufwände) hochgradig altruistisch (Voland 2007: 11ff.), denn sie

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