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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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ein Unternehmen seine Profitrate durch Einführung einer neuen Technik, bei der weniger Arbeitseinsatz, dafür aber mehr Materialeinsatz benötigt wird, erhöht, dann ergibt sich nach Verbreitung der Technik innerhalb der gesamten Branche – unter der Voraussetzung, dass die Reallöhne der Arbeiter, also die Kaufkraft der Löhne in bestimmten Waren gemessen, sich nicht erhöht haben – auch gesamtwirtschaftlich eine höhere Profitrate.
    Die Aussage des
Okishio-Theorems
steht folglich im Widerspruch zum Marx’schen
Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate
.
6.1.2 Herbert Spencer
    In der Vorstellung Herbert Spencers ähneln Gesellschaften Organismen, deren Weiterentwicklung sich aus dem Streben nach einem inneren und äußeren Gleichgewicht durch Differenzierung und Anpassung erklären lässt, wobei sich das Streben für die einzelnen Elemente der Gesellschaften (Akteure wie Menschen oder soziale Gruppen) als ein
Kampf ums Dasein
darstellt. Folglich existierten auch keine gravierenden Unterschiede zwischen der biologischen Evolution und gesellschaftlichen Entwicklungen. Gesellschaften wollten – ähnlich biologischen Organismen – fortbestehen (Korte 2004: 39).
    Fortschritt komme gemäß Spencer nun dadurch zustande, dass die Starken über die Schwachen siegen, wobei dies sowohl für Individuen als auch für Gruppen, Rassen und Nationen gelte.
    Spencer verband sein Organismusmodell mit dem sogenannten Utilitarismus, einem handlungstheoretischen Ansatz, wonach Menschen ihr Handeln nicht durch Werte und Normen, die im Laufe der Sozialisation erworben werden, leiten lassen, sondern ausschließlich aus nutzenorientierten Motiven heraus. Die Kernannahme des Utilitarismus ist: Der Mensch ist durch seine ökonomische Natur determiniert, die sein Handeln bestimmt. Dabei folgt er ausschließlich dem Prinzip des maximalen (Lust-)Gewinns bei minimalem Aufwand (Korte 2004: 38).
    Spencers Lehre war die Grundlage für den späteren Sozialdarwinismus (siehe Abschnitt
Sozialdarwinismus
auf Seite → ), gleichzeitig aber auch eine wesentliche Voraussetzung für die Systemtheorie Parsons (siehe Abschnitt
Systemtheorie (Parsons/Luhmann)
auf Seite → ). Man könnte seinen Ansatz folglich auch als systemtheoretisch bezeichnen.
    Die
Systemische Evolutionstheorie
deckt sich in vielen Aspekten mit den Theorien Spencers. Zum einen fasst sie Gesellschaften (autopoietische Systeme dritter Ordnung), aber auch andere soziale Systeme wie Organisationen, als biologische Phänomene auf, die alle einem einheitlichen Evolutionsgesetz genügen. Allerdings kennt sie – anders als Spencers Lehre – kein Survival of the Fittest 159 . Stattdessen geht es den Akteuren (den Menschen und sozialen Systemen) in erster Linie um den eigenen Selbsterhalt und darauf aufbauend dann gegebenenfalls noch um die eigene Reproduktion. Wie der Selbsterhalt aber zustande kommt, ob durch Konkurrenz, Kooperation, Altruismus oder gar Verbrechen spielt für die Systemische Evolutionstheorie letztlich keine Rolle. Gemäß ihrer Auffassung dürfte sich auf Dauer die jeweils erfolgreichste Strategie durchsetzen.
    In einem sehr abstrakten Sinne könnte man den Selbsterhaltungswillen selbsterhaltender Systeme auch als deren ‚Kampf ums Überleben’ interpretieren. Dann würden sich die beiden Theorien diesbezüglich primär in den Formulierungen unterscheiden. Dazu wäre jedoch anzumerken, dass Spencerden ‚Kampf ums Überleben’, den Sieg der Stärkeren über die Schwächeren, tatsächlich wortwörtlich so gemeint hat.
    Ein weiterer – gravierender – Unterschied zwischen beiden Theorien besteht in der Einschätzung der Bedeutung der Organisationssysteme, die gemäß Systemischer Evolutionstheorie nicht nur ebenfalls dem Evolutionsprozess unterliegen, sondern bei denen es sich sogar um das eigentlich Neue der Moderne handelt.
    Beide Theorien stimmen in der Auffassung überein, menschliches Handeln folge ganz wesentlich rationalen Zweckkalkülen. So nimmt die Systemische Evolutionstheorie etwa an, dass über leistungsfähige Kontrazeptiva verfügende moderne Menschen ihre Fortpflanzungsentscheidungen primär nach ökonomischen Gesichtspunkten fällen.
6.1.3 Emile Durkheim
    Durkheim geht in seinen soziologischen Überlegungen – ähnlich wie Spencer – von einem Organismusmodell der Gesellschaft aus. Man könnte seinen Ansatz deshalb gleichfalls als systemtheoretisch bezeichnen. Viele moderne Denkmodelle der Soziologie, wie etwa die Individualisierungsthese, sind

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