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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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sozioökonomischen Strukturen und sozialpsychologischen Dispositionen herzustellen (Korte 2004: 86f.).
    Die
Systemische Evolutionstheorie
kennt keine einseitigen, kausalen Entwicklungen. Gesellschaftliche Veränderungen im Bereich der Produktion dürften gemäß ihrer Auffassung stets auch den Überbau beeinflussen, und natürlich würde dies auch umgekehrt gelten. Insoweit haben die Kritische Theorie und die Systemische Evolutionstheorie durchaus gewisse Gemeinsamkeiten.
    Für die Kritische Theorie ist die gesellschaftliche Reproduktion nur im Rahmen des Sozialisationsprozesses von Bedeutung, womit sie an die patriarchalische Grundhaltung der Marx’schen Theorie nahtlos anschließt. Ein solch einseitig antibiologistischer Standpunkt ist aber der Systemischen Evolutionstheorie fremd, da gemäß ihrer Auffassung Evolution – das heißt, Veränderung – stets auf allen Ebenen stattfindet. Die biologische Ausstattung der Menschen kann folglich nicht einfach ausgeklammert werden.
6.1.7 Handlungstheorie
    Alle wesentlichen handlungstheoretischen Ansätze der Soziologie gehen im Grunde von zwei gemeinsamen Prämissen aus (Korte 2004: 97):
Gesellschaften bestehen aus Individuen.
Will man sich ein präzises Bild einer Gesellschaft machen und alle dafür notwendigen Informationen zusammentragen, insbesondere auch über Konflikte und deren Lösungen, über die Entstehung von Institutionen und über gesellschaftliche Prozesse, dann reicht es im Wesentlichen aus, das Handeln der Individuen zu erfassen, zu analysieren und theoretisch zusammenzutragen.
    Es können zwei handlungstheoretische Hauptansätze hervorgehoben werden:
Rational-Choice-Theorie
    Die Grundannahme der Rational-Choice-Theorie lautet: Das Handeln von Menschen wird nicht von Werten und Normen geleitet, die im Laufe der Sozialisation erworben wurden, sondern ausschließlich von nutzenorientierten Motiven. Der Mensch ist durch seine ökonomische Natur determiniert, sie bestimmt sein Handeln. Mit anderen Worten: Der Mensch als „homo oeconomicus“ folgt ausschließlich dem Prinzip des maximalen Lustgewinns bei minimalem Aufwand (Korte 2004: 98).
Interpretatives Programm
    Das Interpretative Programm nimmt dagegen an: Menschen handeln auf der Grundlage von Bedeutungen, die aus sozialen Interaktionen entstehen. Es geht im Rahmen dieses Ansatzes folglich nicht mehr nur einfach um den ökonomischen Nutzen, sondern vielmehr um die Frage, wie es überhaupt möglich ist, dass Menschen in Gesellschaften sinnvoll interagieren können (Korte 2004: 100).
    Dabei stehen zwei Fragen im Vordergrund (Korte 2004: 101):
Wie kommt Interaktion überhaupt zustande?
Wie ist das Handeln der an einer Interaktion Beteiligten aufeinander bezogen?
Abgrenzung und Bewertung
    Handlungstheorien weisen beträchtliche Unterschiede zu den Systemtheorien, zum Beispiel der von Luhmann, auf (Korte 2004: 103):
Systemtheorien nehmen an, dass Handlungen in einem normativen Gefüge von Erwartungen und Dispositionen in gesellschaftlichen Teilsystemen erfolgen und dass deren Gelingen daran gemessen wird, ob die gemeinsame Handlung der beteiligten Individuen diesen entspricht (Sinnhaftigkeit der Handlung). Beispielsweise dürfte die Thematisierung von Eheproblemen in einer Projektbesprechung üblicherweise nicht den Erwartungen entsprechen.
Bei den Handlungstheorien kommt es dagegen zu einer gegenseitigen Interpretation der jeweils für bedeutungsvoll gehaltenen Äußerungen des Gegenüber, die sich nicht auf Worte beschränken müssen.
    Aus Sicht der
Systemischen Evolutionstheorie
weisen die handlungstheoretischen Ansätze einige interessante Aspekte auf, können die gesellschaftliche Fortentwicklung und die Reproduktion und Transformation von Strukturen und Systemen jedoch nicht wirklich erklären (Jäger/Meyer 2003: 107).
    Auch die Systemische Evolutionstheorie stellt sich die Frage, wie in Gesellschaften Interaktion zustande kommt. Ein Ergebnis dabei ist, dass sich in modernen Gesellschaften bereits die Kommunikationsaufnahme und die Gesprächspartnerselektion ganz entscheidend anders darstellen als etwa in Urgesellschaften, in denen noch viel häufiger die dominante Kommunikationsweise vorherrschte.
    Auch die Frage zur ökonomischen Natur des Menschen ist aus Sicht der Systemischen Evolutionstheorie etwas zu relativieren. Das natürliche Fortpflanzungsbestreben des Menschen wird sehr stark über dessen Sexualtrieb gesteuert. Erst die allgemeine Verfügbarkeit leistungsfähiger Kontrazeptiva hat aus dem

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