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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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den folgenden – sich auf den jeweiligen Informationsstatus einer Gesellschaft beziehenden – Argumenten zurück (Popper 2003):
Der Ablauf der menschlichen Geschichte wird stark durch das Anwachsen des menschlichen Wissens beeinflusst.
Die zukünftige Zunahme wissenschaftlicher Erkenntnisse kann nicht vorhergesagt werden.
Folglich kann auch nicht der zukünftige Verlauf der menschlichen Geschichte prognostiziert werden.
    Weitere Informationen zu den angesprochenen Themen finden sich unter anderem in den Abschnitten
Leben und Energie
auf Seite → ,
Meme
auf Seite → ,
Soziale Evolution (Sozialer Wandel)
auf Seite → und
Vererbungssysteme und Replikatoren
auf Seite → .
6.3 Zivilisierungsthese
    An dieser Stelle soll nun eine eigene These zu den Ursachen des Zivilisationsprozesses formuliert werden, die in den folgenden Abschnitten dann noch näher begründet wird.
Zivilisierungsthese der Systemischen Evolutionstheorie
Beim Prozess der Zivilisation handelt es sich um die sukzessive gesellschaftsweite Umstellung von dominanten Kommunikationsweisen (Zwangsselektionen) auf die Gefallen-wollen-Kommunikation, bei der die Selektionsinteressen der Kommunikationspartner wahr- und ernstgenommen werden.
    Indirekt wird damit auch definiert, was im vorliegenden Kontext unter
Zivilisation
verstanden werden soll: Eine Gesellschaft, in der die Selektionsinteressen aller Mitglieder üblicherweise respektiert werden – und zwar sowohl von Bürgern, sonstigen Akteuren und gesellschaftlichen Organen –, wäre in diesem Sinne zivilisierter als ein anderes Sozialsystem, in der es für die Menschen zu häufigen dominanten Übergriffen und Belästigungen kommt. Dies würde ganz unabhängig davon gelten, ob man in der Gesellschaft nur von Jagd und Fischfang lebt, oder auch Atomkraftwerke, Internet und Autobahnen besitzt.
    Ganz entsprechend wird die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, auf die sich die UNO 1948 als verbindlich geeinigt hat, umgangssprachlich als Zeichen der Zivilisation gewertet. Es geht bei dem Begriff folglich eher um Menschenrechte als um Technik. In früheren Epochen wurden dagegen die durch den Fortschritt von Wissenschaft und Technik geschaffenen Lebensbedingungen noch mit Zivilisation gleichgesetzt.
6.4 Tragik der Allmende
    Bevor ich die Zivilisierungsthese näher begründe, möchte ich zunächst eine andere bekannte These der Soziologie – die Individualisierungsthese – vorstellen, die im Laufe des Kapitels noch eine wesentliche Rolle spielen wird. Einführend dazu wird aber zunächst ein volkswirtschaftliches Dilemma mit dem Namen „
Tragik der Allmende
“ 166 erläutert, denn es ist für das Verständnis der weiteren Ausführungen von entscheidender Bedeutung.
    Unter der
Tragik der Allmende
versteht man in der Volkswirtschaftslehre die Beobachtung, dass Menschen unter bestimmten Bedingungen bei einer gemeinschaftlichen Tätigkeit, bei der der individuelle Ertrag den Personen nicht zurechenbar ist, weniger leisten. Dieses Problem tritt häufig bei Gemeinschaftseigentum, sogenannten Allmenden, auf.
    Dies sei an einem Beispiel erläutert:
    Angenommen, eine Gruppe von 80 Personen bewirtschaftet gemeinschaftlich ein Feld. Alle Gruppenmitglieder haben bei voller Arbeitsleistung einen Aufwand von 50 Einheiten, ziehen jedoch dann einen Ertrag von 100 Einheiten aus der Ernte, die sie ja in gleichen Teilen erwirtschaften. Die
Tragik der Allmende
besteht nun darin, dass bei genügend großer Gruppengröße die Faulheit eines einzelnen Mitglieds die Ernte pro Gruppenmitglied nur unwesentlich verringert, der Aufwand für das faule Gruppenmitglied aber stark abnimmt, wodurch sein Nutzen insgesamt steigt.
    Wenn alle 80 Gruppenmitglieder voll arbeiten, dann erwirtschaften sie gemeinsam einen Ertrag von 80*100 = 8.000 Einheiten.
    Jedem Gruppenmitglied steht am Ende ein Ertragsanteil von 100 Einheiten zu. Zieht er davon seinen Aufwand von 50 Einheiten ab, dann hat er einen eigenen Nutzen von 50 Einheiten erwirtschaftet.
    Angenommen, ein Mitglied arbeitet nur halb so viel wie die anderen Gruppenangehörigen. Dann hat er nur noch einen Aufwand von 25 Einheiten. Für die Gesamtgruppe ergibt sich nun ein Ertrag von 79*100 + 100*1/2 = 7.950 Einheiten. Jedem Gruppenmitglied steht unter diesen Umständen ein individueller Ertrag von 99,375 Einheiten zu. Für die voll arbeitenden Mitglieder ergibt dies einen Nutzen von 99,375 – 50 = 49,375 Einheiten.
    Günstiger sieht der Ertrag für das etwas faulere Gruppenmitglied aus,

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