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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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aufzudecken und anschließend auf die Biologie zu übertragen 65 .
    Bevor ich zu all dem komme, möchte ich aber zunächst noch auf Richard Dawkins Mem-Theorie eingehen.
4.4 Meme
    Auch die menschliche Kultur scheint sich evolutionär weiterzuentwickeln. Ein vielversprechender Versuch, die dahinterstehenden Prozesse mittels der Darwinschen Evolutionstheorie zu beschreiben, erfolgte mit der
MemTheorie
(
Memetik
) von Richard Dawkins (Dawkins 2007: 316 ff.), die im Folgenden grob und unkommentiert wiedergegeben werden soll. Allerdings werde ich im Laufe des vorliegenden Buches noch zeigen, dass die MemTheorie nicht haltbar ist.
    Kernbestandteil der Mem-Theorie (Memetik) ist die Behauptung einer neben der Evolution der
Gene
existierenden zweiten, schnelleren und unabhängig von den Genen verlaufenden
kulturellen Evolution
, deren Einheiten die
Meme
sind (Dawkins 2007; Blackmore 2006).
    Gemäß der Theorie der egoistischen Gene sind Lebewesen lediglich Überlebensmaschinen ihrer Gene (Ridley 1995: 20, Dawkins 2007: 52ff.). Die Fortpflanzung erfolgte dementsprechend weniger im Interesse der Individuen selbst, sondern in erster Linie im Dienste der sie konstruierenden „egoistischen Gene“ (Dawkins 2007). Allerdings erklärt sich damit noch nicht die Rolle der menschlichen Kultur, weswegen für Dawkins das Konstrukt eines
Kulturreplikators
mit dem Namen
Mem
(Dawkins 2007: 316ff.) erforderlich wurde.
    Meme sind also etwas grundsätzlich anderes als Gene, sollen sich aber nach einem ähnlichen Schema als Überlebensmechanismus deuten lassen. Auch für die Meme gilt der evolutionstheoretische Dreiklang von Variation, Selektion und Vererbung (Reproduktion, Replikation).
    Meme vermehren sich – anders als Gene – nicht über die biologische Vererbung, sondern durch
Imitation
. Wann immer jemand etwas per Nachahmung von jemand anderem übernimmt – zum Beispiel Wörter und Wendungen, Theorien, Techniken, Moden und Melodien –, wird ein Mem repliziert (
Vererbung
). Der genetischen Mutation entsprechen dabei die Abwandlungen oder Neukombinationen von Memen, wie sie im Prozess der Imitation unweigerlich geschehen (
Variation
). Und schließlich findet sich auch so etwas wie eine
Selektion
von Memen. Meme stehen nämlich in Konkurrenz zueinander. Sie brauchen gemäß Mem-Theorie zur Replikation den menschlichen Geist als Ressource. Es kommt dann zum
Survival of the Fittest
, denn nur wenige Theorien, Geschichten oder Melodien werden sich über einen längeren Zeitraum in viele Gehirne einnisten.
    Was die Gene für die Lebewesen sind, sind die Meme für die Kultur. Die eigentlichen Akteure sind die Meme, die Menschen als deren vermeintliche Autoren dagegen bloß deren Transportvehikel. Bei Memen handelt es sich also um Einheiten, die ähnlich wie Gene danach „streben“, sich zu verbreiten und zu vermehren (Dawkins 2007: 321):
    Wenn jemand ein fruchtbares Mem in meinen Geist einpflanzt, so setzt er mir im wahrsten Sinne des Wortes einen Parasiten ins Gehirn und macht es auf genau die gleiche Weise zu einem Vehikel für die Verbreitung des Mems, wie ein Virus dies mit dem genetischen Mechanismus einer Wirtszelle tut…“
    Meme wetteifern darum, in so viele Gehirne wie möglich zu gelangen und sich dort zu behaupten. Diese Konkurrenz der Meme hat letztlich unseren Geist und unsere Kultur geformt. In diesem Sinne sind Menschen allesamt Mem-Maschinen.
4.5 Systemische Evolutionstheorie
    Ein Problem der Gen/Mem-Theorie Richard Dawkins ist, dass sie das Pferd von hinten – nämlich von den Replikatoren her – aufzuzäumen versucht.
    Kein Zweifel, evolutive Prozesse müssen sich erinnern können, sonst kann bereits Bewährtes nicht weiterentwickelt werden. Evolution benötigt somit ein Gedächtnis, oder anders gesagt: ein Statuserhaltungssystem (siehe dazu auch den Abschnitt
Vererbungssysteme und Replikatoren
auf Seite → ). Die Aussage Richard Dawkins ist nun: im Falle der biologischen Evolution dienen dazu die Gene, im Falle der kulturellen die Meme.
    Dies hat zur Folge, dass man bei einer Analyse evolutiver Prozesse zunächst auf die Suche nach den sie „antreibenden“ Replikatoren gehen müsste. Das scheint aber nicht sinnvoll zu sein, und ich möchte das an einem Beispiel erläutern.
    In den letzten Jahrzehnten hat sich die Informationstechnologie enorm weiterentwickelt, und zwar sowohl was die Hardware als auch die Software angeht. Nun könnte man grob vereinfacht sagen: Die kontinuierliche Weiterentwicklung der

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