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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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Milieu angepasst ist. Seine Gene spielen möglicherweise eine tragende Rolle, aber vielleicht nicht die alles Entscheidende 70 . Man handelt sich folglich eine ganze Menge theoretischer Probleme ein, wenn man Evolution vor allem aus Sicht der Replikatoren beschreiben möchte. Auf diesen wesentlichen Punkt soll noch einmal gesondert im Abschnitt
Vererbungssysteme und Replikatoren
auf Seite → eingegangen werden.
    Wie ich bereits erwähnte, gehen weite Teile der Sozialwissenschaften davon aus, dass der Einfluss der Gene in modernen menschlichen Gesellschaften so gut wie vernachlässigbar ist, und dass alle diesbezüglichen Unterschiede durch geeignete staatliche Bildungsmaßnahmen wieder wettgemacht werden können.
    Interessanterweise dürfte nun aber in modernen, arbeitsteiligen und individualistischen Gesellschaften dem genetischen Anteil an den Kompetenzen eines Menschen in aller Regel eine ganz besonders starke Bedeutung zukommen.
    Gemäß Emile Durkheim basierte die gesellschaftliche Kooperation in Urgesellschaften noch ganz wesentlich auf der Ähnlichkeit von Individuen, in modernen Gesellschaften stützt sie sich dagegen auf deren Differenzierung (siehe Abschnitt
Emile Durkheim
auf Seite → ). Differenzierung bedeutet aber auch berufliche Spezialisierung. Und da ist nun einfach zu erwarten, dass sich Menschen dann vor allem für solche Tätigkeiten entscheiden werden, die ihnen besonders leicht fallen, und für die sie die entsprechenden genetischen Voraussetzungen mitbringen (Scarr/McCartney 1983). Niemand würde beispielsweise ernsthaft Pianist oder Mathematikprofessor werden wollen, wenn er sich mit der angestrebten Tätigkeit bereits in der Frühphase seiner Ausbildung sehr schwer täte.
    Eventuell werden Sie sich aufgrund meines vorangegangenen kleinen Abstechers in die Hard- und Softwarebranche noch fragen, wie sich denn entsprechend den bisherigen Ausführungen die technologische Weiterentwicklung erklären lässt. Konkret: Was hat die offenkundige Evolution der Hard- und Software innerhalb der Informationstechnologie bewirkt? Oder noch konkreter: Was hat aus einem Intel Pentium Prozessor einen Intel Core 2 Duo werden lassen?
    Ich werde im Rahmen des Buches zeigen (siehe insbesondere Abschnitt
Technische Evolution
auf Seite → ), dass es sich bei Produkten (etwa Intel Prozessoren) und Dienstleistungen um Kompetenzen (Adaptionen, Merkmalen) von Organisationssystemen (Unternehmen) handelt, mit denen diese in ihren speziellen Umwelten – den Märkten – um die Erlangung von Ressourcen (etwa durch Produktverkäufe) konkurrieren. Da sich solche Organisationen fortlaufend selbsterhalten wollen, sind sie (normalerweise) stets darum bemüht, ihre Kompetenzen und Adaptionen zu erhalten beziehungsweise zu verbessern. Im Sinne der noch darzustellenden
Systemischen Evolutionstheorie
evolvieren folglich nicht Mikroprozessoren oder Softwaremodule, sondern Unternehmen beziehungsweise Organisationssysteme wie Intel oder Microsoft. Der relevante Replikator dürfte dann dabei das jeweilige gesammelte und in den Mitarbeiterköpfen und Firmen-Datenbanken vorhandene Unternehmens-Know-how sein.
    Nach diesen vorbereitenden Bemerkungen möchte ich nun zu einer Verallgemeinerung der Evolutionstheorie – im Folgenden
Systemische Evolutionstheorie
genannt 71 – kommen. Dabei soll mit einer Erläuterung der Motivationen bei der Festlegung der verschiedenen Evolutionsprinzipien begonnen werden.
    In der Softwareindustrie hat in den letzten Jahrzehnten ein Wandel hin zur sogenannten objektorientierten Programmierung stattgefunden. Stand vorher stets die reine Programmlogik im Vordergrund, so sind es nun die Objekte, die über ihre Eigenschaften und die auf ihnen anwendbaren Methoden (Operationen) definiert werden. Wird beispielsweise bei einem Objekt „Girokonto“ festgelegt, dass es nur zweistellige Zahlen beinhalten kann und auf seine Inhalte nur die Operationen Addition und Subtraktion angewendet werden können, dann kann das Programm darauf nicht unmittelbar multiplizieren oder exponenzieren oder ihm den Wert „Grün“ zuweisen. So etwas wäre dann ein Programmfehler, der bereits bei der Entwicklung auffallen würde.
    Evolutionstheorien beschäftigen sich mit Evolutionen, die aus sich selbst heraus entstehen, ohne dabei so etwas wie einen externen Schöpfer zu benötigen. Charles Darwin lieferte mit der biologischen Evolutionstheorie ein erstes überzeugendes Modell, welches die Entwicklung des Lebens auf der Erde ohne

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