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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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gründlich
überdrüssig geworden.
    Sie strich ihrer Mutter über den Rücken. »Keine
Sorge. Ich bleibe bei dir und räuchere den ganzen Tag Fleisch,
während Millo Schlitten fährt.«
    »Ich bin sicher, dir würde das auch gefallen. Du hast
deine Pflicht aber schon getan, indem du mir deine Hilfe angeboten
hast. Hier.« Mesni gab Jahna ein in Leder eingepacktes
Bündel Fleisch. »Nicht dass dein Vater die armen
Knochenkopf-Jäger noch verhungern lässt. Du weißt,
wie er ist. Und das würde ich ihm auch nicht
anvertrauen.« Sie gab Jahna eine Handvoll Olachen.
    Diese sardinenartigen Fische waren so fett, dass man sie senkrecht
zu stellen und wie eine Kerze abbrennen konnte. Das ausgelassene Fett
fand aber auch Verwendung als Sauce, Medizin und als
Mückenschutz – oder aber man aß den Fisch am
Stück, und er hielt für eine lange Zeit vor. Diese
wertvollen Fische dienten als Notration.
    Jahna nahm die Fische feierlich entgegen und steckte sie in eine
Falte ihres Mantels. Das war eine große Verantwortung, die ihr
aufgebürdet worden war, aber die Seele der Großmutter, die
in ihrem Herzen wohnte, gab ihr die Zuversicht, diese Verantwortung
zu tragen. Sie küsste ihre Mutter. »Ich werde mich darum
kümmern, dass alle versorgt sind«, versprach sie.
    »Ich weiß. Nun hilf ihnen bei den Vorbereitungen. Geh
schon.«
    Jahna ergriff ihre Lieblings-Harpune und folgte Millo aus der
Hütte.
    Die Jagdgesellschaft belud den Schlitten routiniert mit Netzen,
Harpunen, Leinen, aus Rentierhäuten hergestellten
Schlafsäcken und anderen Ausrüstungsgegenständen. Der
schon zehn Jahre alte Schlitten war ein unförmiges Ding und
bestand aus einem Holzrahmen, der auf langen Kufen aus
Mammutstoßzähnen befestigt war. Die Verlaschungen und
Leinen bestanden aus zäher Robbenhaut, und die Zügel, mit
denen das Knochenkopf-›Gespann‹ gelenkt wurde, waren aus
Mammutleder. Der Schlitten war nur bis zum Frühjahr und ab dem
Spätherbst zu verwenden, wenn der Boden gefroren oder
schneebedeckt war; in der Zwischenzeit war der Boden so weich, dass
die Schlittenkufen darin einsanken. Aber in einer Welt, in der das
Rad erst noch erfunden werden und das Pferd erst noch gezähmt
werden musste, markierte dieser Schlitten aus Holz und Elfenbein den
Höhepunkt der Transporttechnik.
    Inzwischen war Rood ins Lager der Knochenköpfe gegangen und
suchte nach Schleppern.
    Das Lager war ein Slum am Rand des Menschendorfs. Die Hütten
und Verschläge waren genauso gedrungen und unförmig wie die
Knochenköpfe selbst, die wie große Kothaufen in der Tundra
hockten. Die Erwachsenen und die grotesken Kinder lungerten
überall herum. An Orten wie diesen, wo sie in der Alten Welt
überlebt hatten, machten die Knochenköpfe ihre einfachen
Werkzeuge und bauten ihre hässlichen Hütten, wie sie es
schon seit einer halben Million Jahren getan hatten – seit der
Zeit von Kieselstein und noch davor. Im Gegensatz zur kulturellen
Explosion der Menschen hatten die Knochenköpfe über
große Abschnitte von Raum und Zeit keine wesentliche Variation
bewerkstelligt.
    Rood wählte zwei kräftig wirkende Jungen aus, indem er
sie mit dem Peitschenstiel antippte. Widerspruchslos folgten sie ihm
und ließen sich vor den Schlitten spannen.
    Und dann war der Schlitten beladen. Rood musste die
Knochenköpfe nur leicht mit der Peitsche streicheln, damit sie
sich ins Zeug legten. Sie mussten sich anfangs mächtig ins Zeug
legen, um die Schlittenkufen aus der harten Erde zu reißen.
Knochenköpfe waren kurzbeinig und untersetzt; ihre Statur war
auf Kraftentfaltung ausgelegt, nicht auf Schnelligkeit. Doch bald
zogen die beiden Jungen den Schlitten mit einer Geschwindigkeit, die
etwas über Schritttempo lag. Die Jäger feuerten sie mit
Rufen und Gebrüll an.
     
    Zum unheimlichen Klang der Knochenflöten legte die Gruppe
Kilometer um Kilometer in der Tundra zurück. Rood saß auf
den Bündeln, mit denen der Schlitten beladen war und hielt die
Lederpeitsche griffbereit, um den Knochenköpfen einen Hieb auf
den Rücken zu versetzen. Millo saß mit wehendem Haar neben
seinem Vater.
    Der Schauplatz der Handlung war Nordfrankreich. Die
Jagdgesellschaft, die in südwestlicher Richtung zur
Atlantikküste reiste, würde in der Nähe des
späteren Paris vorbeikommen. Aber die Baumgrenze – die
Breite, bis zu der Bäume noch zu wachsen vermochten –
verlief viele Kilometer südlich davon. Und nicht allzu weit im
Norden lag die Grenze der Eiskappe. Manchmal hörte man den Wind
vom Eis her

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