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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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beseitigen.
    Die Jäger und Sammler an den Grenzen der expandierenden
Farmen hatten indes gar keine Widerstandskräfte. Nicht nur dass
sie das Land an die anstürmenden Ackerbauern verloren, sie
verloren auch das Leben.
    Dieser Übergang von der alten zur neuen Lebensweise war ein
entscheidender Moment in der Menschheitsgeschichte. Es wurde eine
kollektive, unbewusste Entscheidung getroffen zwischen der Begrenzung
des Bevölkerungswachstums, um sich mit den vorhandenen
Ressourcen zu begnügen und dem Versuch einer Erhöhung der
Nahrungsproduktion, um eine wachsende Population zu ernähren.
Und nachdem diese Entscheidung erst einmal gefallen war, musste die
Expansion der Bauern sich zwangsläufig beschleunigen. Deshalb
vermochten die Menschen, die an der alten Lebensweise festhielten,
nur noch in Nischen zu überleben, in den Wüsten, im Gebirge
und im tiefsten Urwald. An Orten, die die Bauern nicht zu kultivieren
imstande waren.
    Das sollte auch in Afrika geschehen, wo mit Waffen aus Eisen
ausgerüstete Bantu-Bauern aus der westlichen Sahara
ausschwärmten und Stämme wie die Pygmäen und die
Khoisan verdrängten: Vorfahren von Joan Useb, die
schließlich den ganzen Weg bis zur afrikanischen Ostküste
zurücklegten. Es geschah auch in China, wo Bauern aus dem
Norden, durch die offene Geographie Chinas unterstützt, gen
Süden zogen und einen Großteil des tropischen
Südostasiens neu besiedelten und kultivierten. Dabei trieben sie
die alteingesessenen Populationen in sekundären Invasionen vor
sich her, die nach Thailand und Burma hinüberschwappten.
    Und der weite, von Osten nach Westen sich erstreckende Raum
Eurasiens lud auch zur Expansion ein. Bauern rückten mit
Leichtigkeit entlang der Breitengrade vor und nahmen Gebiete in
Besitz, deren Klima und Tageslänge der alten Heimat glichen und
die somit für ihre Getreidesorten und Tiere geeignet waren. Mit
den Rindern und Ziegen, den Schweinen und Schafen, dem überaus
ergiebigen Weizen und der Gerste sowie der anschwellenden
Bevölkerung sollten die Nachfahren der Bauern von Cata Huuk ein
mächtiges Reich auf der Grundlage von Weizen und Reis errichten.
Die ägyptischen Pyramiden wurden von Arbeitern errichtet, die
mit Getreideerzeugnissen ernährt wurden, die ursprünglich
aus Südostasien stammten. Die Bauern brachten auch ihre
indoeuropäische Sprache mit, die im weiteren Verlauf sich
verzweigte, veränderte und ausbreitete und aus der später
Latein, Deutsch, Sanskrit, Hindi, Russisch, Walisisch, Englisch,
Spanisch, Französisch und Gälisch hervorgingen.
Schließlich hatten sie ein breites kreuzförmiges Gebiet
kolonisiert, das sich von der Atlantikküste nach Zentralasien
und von Skandinavien bis nach Nordafrika erstreckte. Eines Tages
sollten sie sogar in Booten aus Holz und Eisen die Meere
überqueren.
    Auf dieser riesigen Fläche kultivierten Lands erblühten
Städte, und Reiche entstanden und verfielen. Und überall,
wohin die Bauern kamen, schleppten sie Krankheiten ein wie eine
Schaumkrone auf einer Flutwelle aus Sprache, Kultur und Krieg.
    »Schwester, komm mit uns«, sagte Juna impulsiv.
    Sion warf einen Blick auf Keram und Muti und lachte. »Das
wird nicht möglich sein.« Mit einem Ausdruck der Seelenqual
schaute sie auf Junas Kinder, die in den Armen von Muti und Keram
schliefen. »Auf Wiedersehen«, flüsterte sie dann und
eilte zu den Hütten zurück.
    Juna wollte ihr auch ein ›Auf Wiedersehen‹ nachrufen.
Aber das wären dann die letzten Worte, die ich in meiner Sprache
spreche, sagte sie sich. Denn ich werde nie mehr hierher
zurückkehren. Nie wieder.
    Also wandte sie sich wortlos ab und setzte mit ihren Kindern die
Wanderung Richtung Westen fort, zur neuen Stadt an der
Küste.

 
KAPITEL 15

DAS LICHT ERLISCHT
     
    Rom,
482 nach Christus

     
I
     
     
    In Rom schien die Sonne, und in der italienischen Luft schienen
Menschen, die das mildere Klima Galliens gewohnt waren, förmlich
zu ertrinken. Die Stadt war mit intensiven Gerüchen
geschwängert – nach Rauch, nach Speisen und vor allem nach
Abwässern.
    Als Honorius ihn ins Forum führte, versuchte Athalarich sich
nicht anmerken zu lassen, wie überwältigt er war.
    Der hagere alte, in eine fadenscheinige Toga gehüllte
Honorius ging stolpernd weiter. »Ich hätte nicht erwartet,
dass die Sonne so stark ist. Das Licht muss meine Vorfahren geformt
und mit Kraft erfüllt haben… Oh! Wie ich mich danach
gesehnt habe, diesen Ort zu sehen. Wir sind hier auf der Via Sacra,
dem Heiligen Weg.

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