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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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ungestört zu trinken vermochten. Sie gingen in
die Knie, tauchten die Schnauzen ins kühle Nass und sogen es
dankbar ein.
    Die größten Tiere von allen suhlten sich am schlammigen
Ufer des Sees.
    Ein Paar Uintatheria stand nebeneinander. Diese großen Tiere
sahen aus wie übergroße Nashörner. Sie hatten sechs
Hörner auf dem Kopf und lange obere Reißzähne wie ein
Säbelzahntiger. Die dicke Haut war mit Schlamm verkrustet, der
sie kühlte und die Insekten fernhielt. Sie grasten
genüsslich den Seeboden ab und tranken das von Algen grün
gefärbte Wasser, während ein dickes lebhaftes Jungtier um
die Beine der Eltern strich und mit dem Kopf, aus dem erst die
Ansätze der Hörner sprossen, die Säulenbeine
rammte.
    Noth behielt die mächtigen Füße ängstlich im
Auge.
    Am Ufer marschierte eine Moeritherium-Familie entlang. Die einen
Meter großen Erwachsenen bewegten sich mit ruhiger Gelassenheit
durchs Wasser und verständigten sich mit einem beruhigenden
Grummeln, während die rundlichen Jungen zu ihren
Füßen herumplanschten. Mit den langen Nasen grasten sie
methodisch die Vegetation des Seebodens ab. Sie gehörten zu den
ersten Proboscidea, den Vorfahren der Elefanten und Mammuts. Sie
hatten zwar noch größere Ähnlichkeit mit Schweinen
als mit Elefanten, waren aber schon intelligente und soziale
Tiere.
    Um die Pflanzenfresserherden schlichen Fleischfresser. Es handelte
sich überwiegend um Creodonten, die wie eine Kreuzung aus Fuchs
und Vielfraß aussahen. Und es gab ein Rudel behufter
Räuber – wie Fleisch fressende Pferde. Zu diesen bizarren,
Furcht einflößenden Kreaturen gab es im Zeitalter der
Menschen keine Entsprechung.
    Viele dieser Tiere wirkten langsam, träge und irgendwie
missraten. Sie waren das Ergebnis der ersten Experimente der Natur,
große Pflanzenfresser und Fleischfresser aus dem Bestand der
Säugetiere hervorzubringen, die den Tod der Dinosaurier
überlebt hatten. Das offene Grasland lag noch Millionen Jahre in
der Zukunft, genauso wie die schlanken, langbeinigen und eleganten
Pflanzenfresser, die sich in den üppigen Weiten einrichten
würden und wie die klügeren und schnelleren Fleischfresser,
die sie jagen würden. Wenn es soweit war, würden die
meisten Spezies um Noth dem Massensterben anheim fallen. Aber die den
Menschen bekannte Ordnung – die echten Primaten, die Huftiere,
die Nagetiere und Ratten, das Damwild und die Pferde – hatte ihr
Debüt bereits gegeben.
    Im Moment gab es nirgendwo auf der Erde eine komplexere und
dichtere Ökologie als hier auf Ellesmere Island. Dieser Ort war
ein Knotenpunkt der großen Wanderwege durch den amerikanischen
Doppelkontinent und übers Dach der Welt nach Europa, Asien und
Afrika. Hier trafen sich Pangoline aus Asien, Fleischfresser aus
Nordamerika, Huftiere aus Afrika, europäische Insektenfresser
wie urtümliche Igel und sogar Ameisenfresser aus Südamerika
und traten in Konkurrenz zueinander.
    Plötzlich hob Noth den Kopf.
    Aus dem Wasser schauten zwei Primaten ihn an, ein kräftiges
Männchen und ein kleines Weibchen. Er vermochte das
Männchen aber nicht zu riechen, vermochte nicht zu sagen, ob es
ein Verwandter oder ein Fremder war. Er kreischte und fletschte die
Zähne. Das Primaten-Männchen fletschte seinerseits die
Zähne.
    Wütend stand Noth auf und zeigte dem Fremden im Wasser seine
Duftdrüsen – der gleichermaßen reagierte, was ihn
noch wütender machte –, und dann schlug er aufs Wasser, bis
der gespiegelte Notharctus verschwunden war.
    Noth vermochte andere Exemplare seiner Art zu erkennen, zwischen
Männchen und Weibchen und zwischen verwandt und nicht verwandt
zu unterscheiden. Sich selbst vermochte er jedoch nicht zu erkennen,
weil sein Bewusstsein nicht die Fähigkeit zur Selbstreflexion
hatte. Sein Leben lang würde er sich vor solchen zufälligen
Spiegelungen fürchten.
    Eine schlanke Gestalt sprang aus dem Wasser und schob sich mit
flossenartigen Gliedmaßen auf die Gesteinsplattform. Noth und
Rechts wichen zurück. Über eine krokodilsartige Schnauze
peilte der Neuankömmling zwei verdutzte Primaten an.
    Dieses Ambulocetus war ein Verwandter der hyänenartigen
Mesonychiden. Wie ein Otter war es in einen schwarzen Pelz
gehüllt und hatte lange starke Hinterläufe, die mit zehn
Zentimeter langen Zehen bewehrt waren. Vor Äonen waren die
Vorfahren dieses Tiers auf der Suche nach einem besseren Leben ins
Wasser zurückgekehrt und von der Selektion entsprechend geformt
worden. Das Ambulocetus hatte bereits

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