Ewig Böse
eine Kerze auf dem Esstisch entzündet, der für Thanksgiving gedeckt ist. Ihre Schürze hängt in die Gläser. So ernst, so unter Druck bei ihrem ersten selbst zubereiteten Festmahl.
Stacey im Beifahrersitz ihres Wagens auf dem Weg nach Pismo Beach, die goldenen Haare flattern im Wind, im Hintergrund der Pazifische Ozean. Wir hatten uns gestritten. Es war ein Versöhnungsausflug. Sie war deprimiert, konnte keinen Enthusiasmus dafür aufbringen. Ich weiß nicht, was wir an jenen zwei Tagen taten.
Stacey, ein Handtuch um die Hüften geschlungen, einen Arm vor die Brüste gelegt, während sie mich anschreit, den Fotoapparat wegzulegen. Wir hatten seit beinahe zwei Monaten nicht mehr miteinander geschlafen. Der Ausflug war keine gute Idee gewesen.
Stacey, wie sie sich in Santa Monica an eine grüne Vespa lehnt und mit einer Zigarette posiert. Zum ersten Mal sieht sie verhärtet aus. Irgendetwas in ihr ist erloschen. War sie deprimiert? Oder einfach nur wütend auf mich?
Stacey beim Gassigehen mit Henry auf dem Pfad im Laurel Canyon, während das Sommerkleid mit dem Blumenmuster ihr von den Hüften absteht, als würde eine unsichtbare Hand daran zupfen. Mit angespannten Schritten trippelt sie vor mir her.
Stacey im Bett, flach auf dem Rücken, die Augen groß und die Stirn gefurcht, während ich über ihr stehe und dieses Foto mache, nur Minuten nach Dem Sex. Anscheinend hatten wir uns da wieder zusammengerauft. Manchmal war der Sex immer noch gut. Aber es wirkte, als wäre sie nicht mit dem Herzen dabei.
Alles noch mal von vorne. Stacey fröhlich, fröhlich, fröhlich, cool, manchmal überrascht, gelegentlich verdrossen, aber fast immer mit einem angedeuteten Lächeln, die Augen blitzend vor Wonne. Ein normales Mädchen, das zur Frau wird. Zwei Dutzend Fotos, drei Dutzend, vier. Nach sechzig, siebzig Fotos zeigen sich erste Risse. Mehr ausdruckslose Miene, weniger Lächeln. Auf manchen Fotos waren ihre Wangen eingefallen, das Gesicht wirkte abgespannt. Auf anderen schien ihr normalerweise weißblondes Haar trüb, schlecht ausgeleuchtet, fahl. Gezwungenes Lächeln. Angespannte Schultern. In späteren Gruppenbildern sieht sie nie mehr direkt in die Kamera. Die Augen wirken rastlos, flach. Es fiel mir erst im zweiten Durchlauf auf, aber eine seltsame Präsenz schien sich langsam herauszukristallisieren, wie eine unsichtbare dunkle Wolke, die über ihr schwebte. War es das Leichentuch des Erwachsenseins, das Ende der Party, oder etwas Schlimmeres?
Stacey mit vier Freundinnen beim Coachella Music Festival, im Auto, im Stau. Sie ist ungewöhnlich mies drauf. Die Stiefel sind schlammig, irgendeine Baseballmütze sitzt schief auf dem Kopf. Sie sieht elend aus.
Stacey bei einem Nickerchen auf der Couch, Henry zu ihren Füßen, zusammengeknüllte Papiertaschentücher auf dem Kaffeetisch. Ihre Augen sind verquollen, mit schwarzen Ringen. Hatte sie sich in den Schlaf geweint oder mit einer Grippe herumgeschlagen? Wer machte denn solche Fotos? War ich das?
Die letzte Aufnahme:
Stacey im Garten, in der Abenddämmerung, im Schatten des Zauns, wieder in diesem Sommerkleid, ein dunkler Schemen ohne Gesicht. Ihre Arme hängen schlaff herab. Das Foto körnig, miserabel belichtet. Sie ist nur ein flacher Schattenriss, ein negativer Raum, weit weg. Ich bin nicht bei ihr, nirgendwo, nur hier und jetzt und zornig. Wer hat diese Aufnahme gemacht? Warum wollte sie mir das zeigen? Was machte sie ganz allein da draußen in der Dunkelheit?
Was ist mit ihren Augen geschehen?
Auf diesem letzten Foto sind sie nur graue Flecken. Als hätte jemand das Blau gestohlen. Als wären sie nicht echt.
12
Ich klingelte an der Tür. Ich klopfte. Ich wartete, lief im Kreis und spähte nach einer Bewegung in Mr Ennis’ Haus. Annette schien nicht da zu sein. Vielleicht fühlte sie sich besser und war ausgegangen, vielleicht lag sie aber auch im Koma hinten im Schlafzimmer, oder wo immer sie gestern Nacht zusammengebrochen war. Ich klopfte lauter. Oder sie hatte sich von jemandem zum Arzt bringen lassen. Ich hatte ihre Telefonnummer nicht. Ich konnte höchstens noch ums Haus herumgehen und durch die Fenster gucken, aber das ging genauso gut von meinem Balkon aus mit dem Fernrohr, ohne gleich wie ein Spanner zu wirken.
Ich dachte an das Schloss von Staceys Lagerraum, dessen grüne Skalen ich mit bloßen Händen gedreht hatte. Jetzt war es natürlich zu spät, um nach Fingerabdrücken zu suchen. Bergen oder Lucy würden lediglich meine eigenen
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