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Ewig Böse

Ewig Böse

Titel: Ewig Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ransom
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Nachmittagssonne strömte durch das Haus. Während ich die Treppe hinaufstieg und den Korridor entlangging, schnitt jede Ecke einen weiteren Lichtkegel ab, und als ich die Doppeltür des Ballsaals erreichte, stand ich in lautlosem Schatten.
    Ich stieß die Türen auf und schlenderte hinein, als ob mir der Raum gehörte, was natürlich auch zutraf, und knipste das Licht an. Warum hatten wir nicht ein paar Oberlichter installieren lassen? Drei Öffnungen im Dach hätten den Saal mit warmen Lichtflecken gepflastert, und bei Nacht wäre der Anblick der Sterne eine nette Zugabe gewesen. Doch die Wandleuchten und der Kronleuchter mit seinen Flackerkerzenlampen reichten aus, um den Raum zu erhellen, und in meiner wiederentdeckten Nüchternheit sah ich ihn als das, was er war: der Versuch eines hippen Pärchens, Freunde zu beeindrucken und eine verlorene Ära zu reproduzieren, die es nie kennengelernt hatte. Der Ballsaal kam mir nicht mehr unheilvoll und modrig vor. Das Böse, das ich vorher hier gespürt hatte, war ausgeflogen. Auf Dauer, wie ich hoffte. Es war lediglich ein großer Raum mit Secondhandsofas entlang der Wände und einer ziemlich coolen Bar an der Rückwand.
    Die Pistole war nirgends zu sehen.
    Ich schaute unter den Sofas nach, unter den Bänken und den Beistelltischen. Ich durchsuchte die Regale hinter der Bar und die Schubladen darunter. Keine Glock. Das ist das Problem mit großen Häusern. Man verlegt leicht etwas in einem Zimmer, in das man selten kommt.
    Ich zog die Türen hinter mir zu und unternahm einen kompletten Rundgang durch den ersten Stock, was vier Mal links abbiegen bedeutete, da der Korridor ein großes Rechteck bildete. Unterwegs warf ich einen Blick in die Gästezimmer und das kleine Badezimmer. Ein Vorzug eines großen Hauses ist, dass die Ehepartner genügend Rückzugsgebiete haben, wenn sie nicht schlafen können. Stacey hatte sich manchmal die ganze Nacht im Bett herumgewälzt, bis sie sich morgens um vier hochrappelte, wütend über ihre Schlaflosigkeit und meinen Tiefschlaf. Sie gab es nie zu, aber ich wusste, dass es sie nervte, mich selig schlafen zu sehen, während ihr irgendeine kleine Meinungsverschiedenheit mit einer Freundin den Schlaf raubte oder einfach die wohltuende Wirkung der letzten Schlaftablette zu früh nachließ.
    Sie hatte das Gästezimmer an der Ecke bevorzugt, das mit dem kleinen Ausziehbett und dem Schaukelstuhl im Kinderformat, Möbel, die jetzt nie mehr ein kleiner Lord Hastings benützen würde, und die ich inzwischen eher als deprimierend denn als gruselig empfand. Wenn sie morgens nicht neben mir lag, hatte ich sie fast immer in diesem kleinen Eckzimmer entdeckt, zusammen mit Henry, unserem Beagle, der jetzt in Burbank bei einem zehnjährigen Mädchen wohnte, das ihn wahrscheinlich am Schwanz zog und bei sich im Bett schlafen ließ. Wenn ich an einem solchen Morgen in der Tür stand und meine Frau mit ihrem Hund betrachtete, der sich im Bett zusammengerollt hatte und mit dem Arschloch direkt auf ihr Gesicht zielte, fragte ich mich, warum sie neben mir nie so tief und fest schlief. Noch so eine Frage, derentwegen ich wahrscheinlich die Therapie hätte fortsetzen sollen.
    Der Kinderschaukelstuhl war nicht leer.
    Ich starrte den großen Teddybären an und versuchte mich zu erinnern, wer von uns ihn gekauft hatte, wann, wo. Nein, ich hatte keinen Gedächtnisaussetzer. Diesen Bären hätte ich bestimmt nicht vergessen. Er war fett und struppig, hatte eine spitze Schnauze, einem Schwarzbären nachempfunden, keineswegs einer von der kuscheligen Sorte aus dem Spielzeugladen. Seine Glasaugen waren klein und rund, die Felltatzen mit echtem Leder gepolstert, und – wie mir besonders auffiel – die Klauen waren keine kleinen Fellwülste, sondern richtige Krallen. Aus Plastik, klar, aber sie waren hart und marmoriert, als klebte Dreck in den Rillen an der Unterseite. Fünf Zentimeter lang und scharf genug, um einem das Auge auszukratzen. Dieses ›Spielzeug‹ konnte dem Paddington-Bären aus dem Kinderbuch mit zwei oder drei schnellen Schlägen den Bauch aufschlitzen wie einem ausgestopften Truthahn und ihm die Füllung herausreißen, bevor es ihm in den großen gelben Hut schiss.
    Toll. Genau der richtige Schmusebär für einen heulenden Dreikäsehoch.
    Mir war klar, dass er nicht billig gewesen sein konnte. Das war ein ernsthafter Bär, von der Art, wie ihn ein Energieberater vielleicht seinem Söhnchen von einer Geschäftsreise in die Ukraine mitbringen würde.

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