Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ewig Böse

Ewig Böse

Titel: Ewig Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ransom
Vom Netzwerk:
sie mir nicht länger auffielen. Aber jetzt stach ihr Fehlen wie eine große negative Präsenz heraus! Sie waren nicht etwa im Vergleich zu der fahlen Haut noch mehr verblasst. Sie hatte einfach keine Sommersprossen mehr ! Alles Pigment, das sie einmal aus der ohnehin hellen Haut hatte herausleuchten lassen, war verschwunden, als hätte Annette sich vierundzwanzig Stunden lang bleichen lassen.
    Nur ihre Wangen hatten noch etwas Farbe, und auch das war nur ein Hauch von Pink, und ja, ich hätte schwören können, dass er bereits nachließ. Keine Ahnung, wie lange ich so dastand und zu begreifen versuchte, welche Art von Krankheit derartige Symptome hervorrufen konnte. Sie hatte die Haut eines Leichnams, der eine Woche lang in einem See getrieben hatte, nur ohne von Gasen aufgetrieben zu sein. Und ja, sie atmete. Sie war am Leben.
    Eine nagende, bodenlose Furcht, wie ich sie nie für möglich gehalten hätte, ergriff unerbittlich von mir Besitz. Es war die Angst eines Kindes, das mit dem Wissen eines Erwachsenen geschlagen ist und eine schreckliche Wahrheit entdeckt, bevor es reif genug ist, damit umzugehen. Ich kannte nichts Vergleichbares. Es war entsetzlich gewesen, als ich Stacey hinter unserem Haus tot aufgefunden hatte, aber nicht furchterregend. Ich wusste nicht, was hier mit mir geschah. Mein Verstand suchte krampfhaft nach vernünftigen Erklärungen und versagte kläglich. Die Erfahrung veränderte mich. Ich stand hilflos und allein vor einem furchtbaren Geheimnis, dem Geheimnis ihrer Wandlung.
    Sie stirbt. Hol Hilfe. Ruf einen Krankenwagen.
    Annettes Augenlider öffneten sich in einer einzigen, flüssigen Bewegung. Ihr Blick richtete sich nicht auf mich. Sie sah starr nach oben, ohne zu zwinkern, die Pupillen klein wie Stecknadelköpfe. Blau. Beide Augen waren jetzt blau. Ihre Lippen teilten sich, und ich wich einen Schritt vom Bett zurück.
    »Er ist hier«, sagte sie mit einer Stimme, die so leise und zart klang, dass ich sie nicht als die ihre erkannte. Ich wartete, aber es kam nichts mehr, und eine ganze Minute verstrich.
    »Was?«, drängte ich.
    »Er ist wieder im Haus.«
    Dieser Satz und der folgende schienen sich über einen Zeitraum von mehreren Minuten zusammenzufügen.
    »Er ist bei ihr im Schlafzimmer«, sagte sie. »In dem roten Anzug. So rot … als wäre er nass. Seine Haut brennt. Sie glänzt vom Blut der Jungen und Mädchen.«
    »Niemand wird dir weh tun«, sagte ich.
    Ihre Brust hob und senkte sich zwischen den einzelnen Worten. Sie zeigte keinerlei Anzeichen von Erregung.
    »Er wird nicht aufhören, bis er alles verschlungen hat. Jedes einzelne Teil von mir.«
    »Wer?«, hörte ich mich selbst fragen. »Wer ist er?«
    Ihre Lider schlossen sich und öffneten sich wieder. Ihr Atem beschleunigte sich, war jetzt in schwachen Stößen hörbar. Sie warf den Kopf auf dem Kissen hin und her, und ihre Augen fanden meine. Mir zitterten die Knie. Ich hatte sie nicht mehr unter Kontrolle.
    »Und dann holt er sich den Jungen.«
    Ich befeuchtete meine Lippen. »Wen? Von wem sprichst du?«
    »Ihrem Sohn.« Ihre Augen schimmerten. »Ach, Aaron …«
    Das Fahrrad. In der Garage. Es gehörte einem Jungen. Sie hatte einen Sohn namens Aaron, und sie sprach jetzt von sich in der dritten Person. Für wen hielt sie sich dann? Wer war diese weiße Gestalt auf dem Bett?
    »Wer bist du?«, fragte ich.
    Sie setzte sich auf und zischte, griff nach mir. »Blll-eiiiiiib … Ssss-staaaayyy …«
    Was wollte sie mir sagen? Was war mit Stacey? Ich floh aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter mir zu. Ich sprang die Treppe hinunter und stolperte hinaus in die mittlerweile hereingebrochene Nacht.

26
    Ich weiß nicht, wann ich das Haus verließ, es war bereits Nacht. Am anderen Ende der Sackgasse rannte ich nach rechts, bis ich sicher war, dass sie mich nicht verfolgte. Meine Lungen brannten. Ich ging auf schnelles Schritttempo herunter und lief so eine Stunde lang weiter. Niemand sah mich. Kein einziges Fenster war erleuchtet. Die Straße war menschenleer. Ich sah nur ein paar geparkte Autos, aber niemanden, der mit seinem Hund Gassi ging oder sich die Beine vertrat. Ich lief ziellos vor mich hin, und irgendwann überquerte ich eine Rasenfläche, die ich nicht als Park erkannte, bis ich beinahe in die kalten, verlassenen Spielgeräte eines Kinderspielplatzes hineingelaufen wäre. Ich setzte mich auf das untere Ende einer Rutsche und zeichnete Linien in den Sand.
    In meiner Panik hatte ich nicht an den Mustang gedacht,

Weitere Kostenlose Bücher