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Ewig Dein

Ewig Dein

Titel: Ewig Dein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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ausblieb. Sie wollte erst einmal eine Stunde überstehen, bevor sie ihnen – und das hatte sie sich fest vorgenommen – die Trennungsgeschichte in all ihren heiklen Teilkapiteln erzählte.
    »Es gibt heute eine ganz besondere Überraschung, Judith, für uns alle«, verkündete Ali, der noch nie davor in der Familie das Wort als Erster ergriffen hatte. Sie standen um den mit Kerzen beleuchteten Tisch.
    »Eine Überraschung für uns alle?«, fragte sie ängstlich. »Ja, sie wartet im Schlafzimmer«, verriet Hedi. »Nein, bitte nicht«, murmelte Judith. Ihr Bedarf an im Schlafzimmer lauernden Überraschungen war bis an ihr Lebensende gedeckt. Ali klopfte, erwartungsvoll wie seinerzeit, als noch mit der Erscheinung des Christkinds zu rechnen war, an die Tür. Sie öffnete sich. Ein paar Stimmen bemühten sich um ein unpassendes, aber wenigstens gleichzeitiges »Happy Birthday, dear Judith«. Sie staunte wirklich und sagte: »Vater! Wahnsinn! Das gibt’s ja nicht. Was tust du hier?«
    Zunächst einmal umarmte er sie, herzlicher, väterlicher, als es ihrem über die Jahre trainierten Verhältnis entsprach. Dann verteilten sich rasch ein paar einheitlich in Goldpapier verpackte Geschenke. Danach stieß man mit Sekt auf ein paar »Gs« an, »auf Geburtstag, Gemeinsamkeit, Glück« und ähnliche Dinge. Gesundheit war sicher auch dabei.
    Dann setzte man sich an den Tisch. Ali, dem sich Vater ungewöhnlich liebevoll widmete, drehte eine Runde mit dem Fotoapparat. Für den Anlass legte Vater seinen Arm um Mamas Schulter, ein zugegeben rührendes Bild, das seit Judiths Volksschulzeit nicht mehr zu sehen gewesen war. Dazwischen sickerte durch, dass sie sich »angenähert« und schon ein paar Mal getroffen hatten. Ali flüsterte Judith zu, dass sogar ein »zweiter Versuch«, ein Zusammenleben der beiden, in Aussicht stand.
    Judith bemühte sich, ihre Freude echt wirken zu lassen. Für sie kam die Rückbesinnung des Vaters an die Familie zwei Jahrzehnte zu spät. Das wahre Geschenk an sie, eines der schönsten überhaupt, war ihr wie verwandelter, ihr zum Leben erwachter kleiner Bruder. Vater und Mutter, in Harmonie an einem Tisch – auf diese simple Therapie sprach Ali geradezu euphorisch an.
    »Und jetzt zu dir, Judith«, sagte Mama. Eine angenehme Stunde, die tatsächlich an die Geburtstagsfeiern der frühen achtziger Jahre erinnerte, war vergangen. Die Torte mit ihrem dicken rosa Zuckerguss war bereits aufgegessen. Genug der Familienidylle – es war Zeit für einen radikalen Stimmungswechsel.
    Mama: »Kind, Kind, du machst uns Sorgen.« Wie dieser sich süßlich einschleichende Vorwurf gleich an Bitterkeit und Strenge gewann, wenn Vater danebensaß und solidarisch nickte. Ali wandte seinen Blick zur Seite, Ali, der Unparteiische, der Konfliktscheue, der ewig Balance suchende kleine Bruder. Hedi legte beide Hände flach auf ihren Bauch, als wollte sie ihrem Baby Augen und Ohren zuhalten.
    Mama: »Wieso hast du uns kein Sterbenswort davon erzählt, dass du Probleme hast?« – Probleme? Hatte sie Probleme? – »Ich habe mich von Hannes getrennt«, sagte sie trotzig. »Wo ist das Problem?« Die Beteiligten schwiegen ergriffen. Es war, als hätte Judith soeben reuelos ein Tatgeständnis abgelegt.
    »Ja, aber warum, um Himmels willen?«, fragte Mama. Sehr überrascht war sie offenbar nicht, lediglich am Boden zerstört und mit den Nerven am Ende. Judith spürte eine gewisse Wärme in sich hochkommen, aus der leicht Zornesröte produziert werden konnte. »Weil ich ihn nicht genug liebe, ganz einfach«, sagte sie. Mama: »Nicht genug liebe. Nicht genug liebe. Wann liebst du eigentlich einmal genug? Welcher Märchenprinz muss denn da daherkommen, damit du einmal genug liebst? Kind, höre auf zu träumen, werde endlich erwachsen!«
    So. Die Wärme hatte nun ihre Wangen erreicht und brannte bereits in den Schläfen. Judith schickte sich an, aufzustehen und zu gehen, ein altes Ritual aus der Schulzeit. Da schaltete sich, und das machte die Szene modern und pittoresk, beschwichtigend Vater ein und sagte: »Judith, bitte komm, bleib sitzen. Du darfst es Mama nicht übelnehmen, wie sie reagiert. Du musst es im Zusammenhang sehen. Wir müssen dir etwas erklären.«
     
    »Weißt du, wem es zu verdanken ist, dass wir hier alle gemeinsam sitzen?«, fragte Vater. Eine fürchterliche Ahnung stieg in ihr hoch und drückte ihr gleichzeitig die Magenwände ein. »Hannes.« Ali war es, der das Zauberwort endlich aussprach. Hannes hatte Vater

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