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Ewig Dein

Ewig Dein

Titel: Ewig Dein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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dickschichtig angemalten Lippen auf beiden seiner Wangen. Man hörte es bis ins Patientenzimmer schmatzen.
    Nun steuerte der Abend seinem ersten Höhepunkt zu. Judith ließ sich aufwecken, aus dem Bett holen und gästetauglich herrichten – wobei sie auf ihre Winter-Psycho-Kollektion, einen violetten Flanell-Pyjama unter einem schwarzen Frottee-Bademantel, bestand. Danach durften all ihre Lieben sie herzlich umarmen und im Diesseits willkommen heißen. Einzig zu Lukas ging sie auf Distanz, ihm gegenüber war ihr das Theaterspiel doch ein wenig peinlich. Und ihrem Bruder Ali, der einen besonders traurigen Tag erwischt hatte, versuchte sie aufmunternd zuzublinzeln.
    Dann meldete sich der Gastgeber zu Wort. »Liebe Judith, liebe Familie, liebe Freunde, wie ihr wisst, bin ich kein Freund langer Reden«, begann er seine lange Rede. Er sprach von den vergangenen Monaten, die für alle »bei Gott nicht einfach« gewesen seien, von Herausforderungen, die man annehmen müsse, von persönlichen Veränderungen, die quasi über Nacht eintreten konnten und gegen die man macht- und wehrlos war. An dieser Stelle entschloss sich Judith zu einem kleinen Zwischenapplaus, der ein paar äußerst angenehme Augenblicke betretener weihnachtlicher Stille zur Folge hatte.
    Danach fasste sich Hannes etwas kürzer und landete bald bei der Feststellung, dass »der heutige Tag ein besonderer für Judith und mich« sei, womit er vollkommen recht hatte. »Es wird sich nämlich unsere, wie soll ich sagen, unsere Wohnsituation«, er dehnte bedeutungsschwanger die O-Laute und sagte »Woooohnsituatiooooon«, ja diese Wohnsituation würde sich an diesem Tage ändern, »ausweiten sozusagen«, ergänzte er schmunzelnd. Hier konnte Judith nicht anders und musste noch einmal kräftig in die Hände klatschen.
    Nun hielt Hannes einen Schlüssel hoch, klimperte damit triumphierend und sprach im Tonfall eines mittelalterlichen Pförtners: »Darf ich euch bitten, mir zu folgen.« Judith hängte sich bei Ali ein und tat so, als würde sie sich von ihm leiten lassen. In Wirklichkeit war sie die Einzige, die bereits wusste, wohin der kurze Weg sie führen würde. Ein ähnliches Wohnmodell hatte sie erst kurz zuvor kennengelernt.
    Ein paar Augenblicke später standen sie in der Nachbarwohnung, in jener des verstorbenen Rentners Helmut Schneider, und staunten über die aufwendige Gestaltung der renovierten Räume. Hannes hatte wahrlich ganze Arbeit geleistet, und dies noch dazu unter perfektionistischer Geheimhaltung, sah man von einigen nächtlichen Geräuschaktionen ab, die Judith beinahe den Verstand geraubt hatten. Beinahe.
    In diesen verklärten Momenten ließ sich natürlich über gar nichts streiten, nicht einmal über Geschmack, wenngleich an jedem Quadratzentimeter der sorgsam verbauten Fläche mit freiem Auge erkennbar war, dass der verantwortliche Architekt normalerweise Apotheken ausstattete.
    »Ich habe diese Wohnung dazugenommen, damit wir uns hier nicht gegenseitig auf die Zehen steigen«, sagte Hannes in feierlicher Bescheidenheit. Mit »wir« meinte er selbstverständlich auch Mama, für die sich ein dritter Frühling anzukündigen schien. Judith hatte sich von der Gruppe entfernt und den Tisch mit den belegten Brötchen entdeckt. Sie erklärte das Buffet für eröffnet.
    »Darf ich noch einmal um eure Aufmerksamkeit bitten?« – Er durfte. Denn eine letzte Überraschung hatte er noch parat. Sie wartete hinter der angelehnten weißen Tür und deutete bereits durch den schmalen Spalt ihre phänomenale Leuchtkraft an.
    Da standen sie nun alle in Judiths neuem Wohn-, Schlaf-, Ruhe-, Unruhe-, Tag-, Nacht-, Lebensraum, in dem ihr zugedachten Fünf-Sterne-Verlies, in dem sie alles haben sollte, was Hannes für ihr »absolut menschenwürdiges Dasein« eingefallen war, inklusive einer neuen, noch größeren Obstschüssel, in der allerdings nur enttäuschende drei Stück Bananen herumlungerten, daran war noch zu arbeiten.
    Judith steuerte sofort auf die Wand zu, die ihr vermeintlich neues Zuhause von ihrem alten Schlafzimmer trennte, und tastete sie unbemerkt ab. Zu gern hätte sie Hannes jetzt schon selbst gefragt, wie er den Klang der Blechplatten erzeugt hatte, ob seine Stimme jedes Mal live oder vom Tonband gekommen war, ob er vielleicht sogar Boxen in das Gemäuer eingebaut hatte? Aber das war nicht mehr ihre Aufgabe.
    Natürlich blieben die verzückten Blicke der Gäste in der Mitte des Raumes hängen. Da schwebte er nun majestätisch über ihrem

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