Ewig Dein
nicht gewusst. Sie hat geglaubt, die Wohnung steht volle leer.« – »Ah so«, sagte Judith.
Bianca: »Aber etwas ist dem Basti dann doch noch aufgefallen.« Judith: »Und zwar?« Bianca: »Er hat es mir leider noch nicht verraten, weil er gesagt hat, er muss noch genauer beobachten, ob das überhaupt stimmt. Aber wenn es stimmt, hat er gesagt, dann ist er ganz schön auf etwas draufgekommen.« Judith: »Da bin ich aber neugierig.« Bianca: »Ich auch, volle, Frau Chefin, das können Sie mir glauben.«
4.
Das Horrorjahr ging mit farb- und schneelosen Adventtagen in die Schlussphase. Judith hatte ihre Verfolgungsängste zwar noch nicht restlos abgeschüttelt, aber sie wähnte sich ihnen wenigstens ein paar sichere Schritte voraus. Ohne Einfluss der Tabletten stand sie wohl auf wackeligen Beinen und ihr Nervenkostüm war äußerst filigran, doch ihre Gedanken kamen ihr deutlich klarer vor, und sie vermeinte zu spüren, wie sich der Knoten langsam lockerte. Sie musste jetzt nur an den richtigen Fäden ziehen.
Von ihrer schauspielerischen Leistung war sie selbst ziemlich beeindruckt. Intuitiv wusste sie, dass es besser war, daheim noch eine Weile die geistig Umnachtete zu mimen. Hannes hatte sie so oft getäuscht, jetzt war sie einmal an der Reihe. Seine Anwesenheit jagte ihr zudem keine Angst mehr ein. Noch fühlte sie sich ein wenig zu schwach, um das Leben im Alleingang zu meistern, wie früher. Aber sie freute sich schon auf den Augenblick, in dem sie ihm das prall gefüllte Sparschwein Specki in die Hand drücken und dazusagen würde: »Danke, mein lieber Pfleger. Nimm dies als Andenken an unsere zweite gemeinsame Zeit. Ich bin an mir selbst gesundet und kann dich hier leider nicht mehr gebrauchen.«
Inzwischen kündigte Hannes in den beliebten Küchengesprächen mit Mama bereits eine große Weihnachtsüberraschung an. Sie war selbstverständlich für Judith bestimmt, aber auch die Familie und die Freunde sollten freudig daran Anteil nehmen. Es war also vermutlich ein kleines Fest geplant. »Sie wird Augen machen«, hörte sie Hannes flüstern. »Ja wird sie das in ihrem Zustand überhaupt mitkriegen?«, fragte Mama gewohnt charmant. »Doch, doch«, erwiderte Hannes, »auch wenn sie es nach außen nicht zeigen kann – in ihrem Inneren empfindet sie genauso wie wir.«
5.
Am Hannes-kontrollfreien fünfzehnten Dezember – er war auswärtig beschäftigt – ließ sie sich nachmittags von Bianca weit weg in die Konditorei Aida in der Thaliastraße führen, wo der unter starkem Glühbirnenlicht besonders rothaarig strahlende Basti schon auf sie wartete und aufgeregt an seiner winzigen Silberkugel über der Lippe drehte. »Sein Verdacht hat sich bestätigt«, sagte Bianca, in der binnen weniger Wochen eine Aspirantin für die Rolle einer neuen Tatort-Kommissarin herangereift war. Er nickte, und dies bei demonstrativ offenem Mund, ein sicheres Zeichen dafür, dass er das Wort kampflos und wohl für alle Zeiten seiner Freundin überlassen hatte.
»Erinnern Sie sich, was ich Ihnen im Spital von den leuchtenden Würfeln erzählt habe, Chefin?«, fragte Bianca. Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: »Also immer, wenn es schon finster ist und wenn der Herr Hannes nach Hause kommt, dann leuchten die fünf Würfel übereinander, dann hat er nämlich, wie alle anderen, wenn sie heimkommen, die Ganglichter aufgedreht. Aber die zwei Würfel sieben und acht im vierten Stock leuchten niemals, weil er nämlich das Licht nicht aufdreht, wenn er in seine Wohnung kommt. Erinnern Sie sich?« – Judith: »Ja, dunkel.« Bianca: »Und jetzt passen Sie auf!« – Judith: »Ja.« Bianca: »Wir wissen nämlich, warum er das Licht nicht aufdreht.« Judith: »Warum nicht?« Bianca: »Dreimal dürfen Sie raten.« Judith: »Bitte, Bianca, ich will nicht raten, weder drei- noch zwei-, noch einmal!« – »Sag’s endlich«, brummte Basti. Bianca: »Er dreht das Licht nicht auf, weil er seine Wohnung nämlich gar nicht betritt, weil er nämlich volle nicht in seiner Wohnung wohnt.« – »Warum nicht?« – »Da muss ich ein bisschen ausholen.« – »Bianca, du machst mich wahnsinnig!«
Bianca: »Wie der Basti auf die Würfel sieben und acht gestarrt hat und wie sie nicht und nicht hell geworden sind, hat er bemerkt, dass der Würfel daneben, das ist der Würfel sechs, eigentlich immer geleuchtet hat, stimmt’s, Basti?« Er nickte. Bianca: »Und der Würfel fünf, also wieder einer weiter nach links, hat auch geleuchtet,
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