Ewig sollst du schlafen
ein Typ der unzugängliche Detective war. Sie schloss ihren Kleinwagen auf und stieg ein. Das Auto hustete und rappelte, dann sprang der Motor endlich an. Nikki schoss vom Parkplatz und fuhr die paar Blocks bis zu Reeds Apartmenthaus, auch so ein alter Bau inmitten kleinerer Wohneinheiten.
Sein Eldorado, ein Cadillac, der beinahe so alt war, dass er als Oldtimer galt, aber so zerbeult, dass er nie in diesen Rang erhoben werden würde, stand auf dem gewohnten Platz. Sehr gut. Nikki war schon früher einmal hier gewesen. Während des Montgomery-Falls, auf der Jagd nach der Story, war sie an diesem Haus vorbeigefahren. Sie hatte sogar ausgekundschaftet, in welcher Wohnung Reed lebte, hatte aber nie den Mut aufgebracht, an seine Tür zu klopfen.
Und richtig, das Milchglasfenster, das ihrer Berechnung nach zu Reeds Wohnung gehören musste, war beleuchtet. Entweder schlief der Detective mit Licht, oder er war schon auf den Beinen, im Begriff, den Tag zu beginnen. Nikki fuhr um den Block herum, fand einen Parkplatz in einer Nebenstraße und stellte den Wagen dort ab. Ihr Herz pochte wild angesichts ihrer eigenen Vermessenheit – nie zuvor hatte sie einen Polizeibeamten in seiner eigenen Wohnung überfallen. Bezüglich Reeds Reaktion gab sie sich keinen Illusionen hin – er würde wahrscheinlich schnauben vor Wut. Sie pochte nervös mit den Fingern aufs Lenkrad und wartete noch ab, hörte Radio und Polizeifunk, die Ohren gespitzt für etwaige Meldungen über das im Norden Georgias entdeckte Grab. Sie wollte Reed nicht verärgern; sie brauchte lediglich Informationen. In dem Apartmenthaus gingen weitere Lichter an, und zwanzig Minuten später erschien Reed; das dunkle Haar nass und aus dem Gesicht gekämmt, ein frischer weißer Hemdkragen unter einer Sportjacke, so überquerte er den kleinen Parkplatz. Groß und schlaksig, mit einem so kantigen Kinn, dass es einem Hollywood-Stuntman zur Ehre gereicht hätte, warf er seinen Aktenkoffer auf den Rücksitz seines schiffsgroßen Wagens, setzte sich hinters Steuer und manövrierte das Eldorado aus der Parklücke.
Nikki ließ ihren Wagen erst an, als sein großer Schlitten vorbeigefahren und zwei Blocks weiter um eine Ecke gebogen war. Dann folgte sie ihm. Als sie die Kurve nahm, sah sie, wie sein Wagen eine Viertelmeile weiter vorn nach links einscherte. Er war auf dem Weg zu seinem morgendlichen Lieblingsziel, einem Feinkostimbiss nicht weit von der Zufahrt zur Interstate 16.
Sie würde sich Zeit lassen, bis er sich hingesetzt und bestellt hatte. Während er auf sein Essen wartete, wollte sie auftauchen, denn dann saß er in der Falle. Falls er beim Frühstück keine Störung duldete, würde er ihr das schon zu verstehen geben.
Sie fuhr auf den Parkplatz einer nahe gelegenen Bank und ließ fünf Minuten verstreichen. Das dürfte reichen. Ihren Notizblock und Rekorder in der Handtasche verstaut lief sie über das nasse Pflaster und glaubte, eine Bewegung in dem Dickicht von immergrünen Eichen nahe der Hintertür des Lokals wahrgenommen zu haben. Sie hielt inne, schaute sich um, konnte jedoch nichts entdecken. Aber sie bemerkte eindeutig, dass der Geruch von Zigarettenrauch in der Luft hing. Sie spähte angestrengt in die dunklen Schatten, schalt sich dann jedoch eine alberne Kuh. Wahrscheinlich war einer der Köche des Lokals zu einer Zigarettenpause nach draußen gegangen. Na und? Sie lief zum Eingang. Zwei Männer, gerade im Begriff zu gehen, hielten ihr die Tür auf, und sie schlüpfte leise hinein.
Drinnen war es warm. Schon um sechs Uhr morgens hockte eine Reihe von Einheimischen an dem um die Küche herum errichteten Tresen. Farmer, Lieferanten und Fernfahrer tauschten Geschichten und Witze, tranken Kaffee und verzehrten mächtige Frühstücksportionen, bestehend aus Schinken, Haferbrei, Spiegeleiern und Toast. Ventilatoren quirlten die rauchgeschwängerte Luft, Speck brutzelte auf dem Rost, Pasteten, frisch gebacken, rotierten langsam in einem gekühlten Schaukasten. Nikkis Blick wanderte über die Tische hinweg. Reed saß in einer der rückwärtigen Nischen, hielt eine Tasse Kaffee in der Hand und las Zeitung.
Jetzt oder nie, dachte Nikki und wappnete sich für den unvermeidlichen Anraunzer. Jedes Mal, wenn sie versucht hatte, Reed Informationen zu entlocken, hatte er sich in eine unüberwindliche Granitmauer verwandelt. Seine Antworten waren oftmals grob, zumindest aber unhöflich, und brachten sie überhaupt nicht weiter. Sie
musste
diese Story schreiben. Erst
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