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Ewig

Ewig

Titel: Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer , David G. L. Weiss
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als Berner die große Klinke herunterdrücken wollte, schwang das Tor auf und Wagner stand im schwachen Lichtschein und grinste.
    »Willkommen im Club«, begrüßte Paul den Kommissar und hielt das Tor auf, durch das sich Berner rasch vor dem Gewitter in Sicherheit brachte. Drinnen überraschten ihn die Großzügigkeit und die formale Strenge, mit der Wagner den Jugendstilbau renoviert hatte. Inseln aus Licht holten Teile der großen Halle aus der Dunkelheit, während sich die nackten Ziegelwände, mit vielen Fotos und Bildern dekoriert, an vielen Stellen in der Dunkelheit verloren.
    »Das ist ja unglaublich groß«, murmelte Berner, während der Reporter ihm den Mantel abnahm und bestätigend nickte.
    »Mehr Platz als genug für alle meine Hobbys und mich«, lächelte er. »Die Remise war einst im Krieg eingerichtet worden, als der Bedarf an Werkstätten groß war, weil viele der Straßenbahngarnituren durch Bombenangriffe beschädigt worden waren«, erzählte der Reporter, während er den Kommissar zu einer großen Sitzgruppe führte, wo Georg Sina über einige Dokumente gebeugt saß und arbeitete. Der Wissenschaftler schaute kurz auf, winkte Berner zu und beschäftigte sich wieder mit seinen Nachforschungen.
    »Die regulären Straßenbahn-Depots und Hallen waren alle überlastet oder zerstört worden und so hatte man damals am Stadtrand von Wien provisorisch Verbindungsgleise zum Bahnnetz verlegt und einen leerstehenden ehemaligen Lokschuppen der Nordbahn adaptiert, der fast ganz von Bäumen verdeckt wurde und dadurch für die angreifenden Bomberstaffeln nicht als Ziel erkennbar war.«
    Berner nickte und nahm dankend das Bier an, das Wagner aus einem großen silbernen Kühlschrank geholt hatte, während er weitererzählte.
    »Nach dem Krieg geriet das Ziegelgebäude, das 1908 errichtet worden war, erst in Vergessenheit, dann wurde es als Materialdepot, Schwellenlager und schließlich als Müllhalde verwendet, bevor man es einfach verfallen ließ. Als dann nach einer neuen Streckenführung die Gleise um mehr als fünfhundert Meter weiter westlich verlegt worden waren, gab es kaum noch etwas zu retten.« Wagner lächelte.
    »Es war ein Lehrstück von der Natur, die sich ihr Territorium wieder zurückholte. Die Bäume deckten das Gebäude immer mehr zu, die Zufahrtsgleise wurden hoch vom Gras überwuchert und dann kam ich eines Tages vorbeigestolpert, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich war an einer Geschichte dran, einem Artikel über lecke Ölwaggons und ich begann damit im ältesten Teil des Güterbahnhofs. Plötzlich stolperte ich im Gras über Gleise, die offenbar genau auf eine Gruppe majestätischer Buchen zuführten.«
    Der Reporter zeigte Berner durch das hohe Glasdach der Remise die Kronen der alten Bäume, die im Sturm wie ein zweites, bewegliches Dach aussahen. »Dann stand ich plötzlich vor dem desolaten, aber immer noch stolzen Jugendstilgebäude mit den drei hohen Holztoren und den vier kleinen Türmchen. Die Äste wuchsen in die leeren Fensterhöhlen und das Gras versuchte, die alten Mauern zu begrünen. Ich beschloss auf der Stelle, die alte Remise zu retten, um hier zu wohnen.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass das so einfach war«, meinte Berner, der die zahlreichen Modellbahnzüge und Straßenbahngarnituren bewunderte, die in beleuchteten Vitrinen an die Vergangenheit des Gebäudes erinnerten.
    »War es auch nicht«, erinnerte sich Wagner, »ein paar Behördengänge später und nach zahlreichen Blicken in erstaunte Beamtenaugen bei verschiedenen Ämtern war mir klar, das würde ein langer Kampf werden.«
    »Den Paul nach zähem Ringen schließlich gewann«, rief Georg Sina herüber, während er weiter in seinen Notizen blätterte und mit den Seiten raschelte.
    »Ja, fast ein halbes Jahr harter Verhandlungen später wurde ich für einen symbolischen Betrag Besitzer des ehemaligen Lokschuppens«, lächelte Wagner, »allerdings mit der Auflage, bei der Renovierung mit dem Denkmalamt eng zusammenzuarbeiten.«
    »Das Resultat kann sich sehen lassen«, stellte Berner bewundernd fest und blickte hinauf zu den umlaufenden Galerien, die sich harmonisch in die hölzerne Dachkonstruktion einfügten.
    Wagner bemerkte den Blick. »Da oben sind Schlaf- und Gästezimmer, mein Büro und alle anderen Nebenräume. Damit konnte ich mir den Luxus erlauben, die ehemalige Schienenfläche als einen großen Raum bestehen zu lassen, mit einer Küche in der Mitte, dem Herz meiner kulinarischen

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