Ewige Treue
mal. »Das war ein Witz, Bolly.«
»Wirklich? Denn ansonsten kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, welchen Job du von mir haben willst. Falls du irgendwo in der Nähe der Sportredaktion auftauchst, wirst du mit ziemlicher Sicherheit geteert und gefedert. Bestenfalls.«
»Ich bräuchte nicht in der Sportredaktion aufzutauchen. Ich könnte direkt für dich arbeiten.«
Bolly sah ihn stirnrunzelnd an. »Und was schwebt dir dabei vor? Nicht dass ich glauben würde, das hier würde irgendwohin führen. Mich interessiert nur, was in deinem Kopf vorgeht.«
»Du kannst nicht überall gleichzeitig sein, Bolly. Du kannst nicht mehr als ein Spiel gleichzeitig verfolgen. Ich weiß, dass du Spielbeobachter einsetzt. Um deinen Lesern die Atmosphäre zu liefern, die nur jemand mitbekommt, der live bei dem Spiel dabei ist.«
»Ich setze ein paar Freie ein, das stimmt.«
»Lass mich einer davon sein. Ich habe einen Abschluss in Englisch. Ich beherrsche die Sprache. So gut wie es ein Texaner eben kann.« Sein kurzes Grinsen wurde nicht erwidert. »Ich kann zwei Sätze zusammenfügen. Und vor allem kenne ich das Spiel. Ich habe das Spiel gelebt. Ich könnte dir detailliertere Spielberichte schreiben als sonst jemand und dabei einen Blickwinkel hinzufügen, der einzigartig wäre, weil er auf eigener Erfahrung beruht. Jahrelanger Erfahrung.«
Er hatte seine Bewerbungsrede geprobt, und er fand, dass sie überzeugend klang. »Ich könnte dir beschreiben, was für ein geiles Gefühl es ist zu gewinnen. Wie lausig man sich fühlt, wenn man verliert. Und wie elend du dich fühlst, wenn du selbst weißt, dass du scheiße gespielt hast und der Sieg nur Dusel war.« Er holte Luft und fragte dann: »Was hältst du davon?«
Bolly musterte ihn nachdenklich. »Ja, ich glaube, du könntest eine akkurate Wiedergabe von Siegen und Niederlagen hinbekommen und ihr eine originelle Note geben. Wahrscheinlich wärst du gar nicht schlecht darin. Aber selbst wenn du ein Sprachgenie wärst, könntest du keinesfalls beschreiben, wie es ist, in einem Team zu spielen, Griff. Weil du das nicht weißt.«
»Wie meinst du das?« Doch die Frage war überflüssig. Er wusste genau, wie Bolly das meinte.
»Du warst ein Solospieler, Griff. Schon immer. Schon von deinen ersten Spielen in der Highschool an, als die Späher der Collegemannschaften auf dich aufmerksam wurden, ging es immer nur um dich, nie ums Team. Du hast dein Team mit bewundernswertem Talent auf dem Feld von Sieg zu Sieg geführt, aber du warst ein gottserbärmlicher Anführer.
Soweit ich weiß, wurdest du nie zum Teamcaptain gewählt, und das überrascht mich nicht. Denn deine Teamzugehörigkeit bestand allein darin, dass du das gleiche Trikot getragen hast wie die anderen. Du hattest nie Freunde. Deine Teamkameraden haben dein Spiel bewundert. Wer dich nicht beneidet hat, hat dich vergöttert. Aber sie konnten dich nicht besonders leiden, was dich nicht weiter gestört hat. Es war dir piepegal, solange sie die Spielzüge ausgeführt haben, die du angesagt hast.
Ich habe nie beobachtet, dass du einen Mitspieler wieder aufgebaut hättest, nachdem er einen Fehler gemacht hat, nie hast du jemandem nach einem guten Spiel gratuliert. Ich habe kein einziges Mal erlebt, dass du deine Hand in Freundschaft ausgestreckt oder jemandem Hilfe angeboten hättest. Dagegen habe ich sehr wohl gesehen, wie du Dorsey sein Weihnachtsgeschenk ungeöffnet zurückgegeben und gesagt hast: ›Ich steh nicht auf diesen Scheiß.‹
Ich habe gesehen, wie du Chester eine Abfuhr erteilt hast, als er dich zu einem Mannschaftsgebet für seine Frau eingeladen hat, die eine grauenhafte Chemo- und Strahlentherapie durchstehen musste. Als Lamberts Verlobte bei einem Autounfall ums Leben kam, warst du der Einzige aus dem Team, der nicht bei ihrer Beerdigung war.
Du warst ein unvergleichlicher Sportler, Griff, aber eine traurige Nummer als Freund. Ich schätze, darum bin ich so überrascht und ein bisschen beleidigt, dass du jetzt zu mir kommst und mich um Hilfe bittest, als wären wir die besten Kumpel.«
Es war nicht leicht, sich all das anzuhören, vor allem, weil er recht hatte. Leise und beschämt sagte Griff: »Ich brauche Arbeit, Bolly.«
Bolly setzte seine Brille ab, um erneut seine Augen zu reiben, und Griff wusste, dass er gleich eine Absage bekommen würde. »Ich finde es schrecklich, was du getan hast, aber jeder macht mal einen Fehler und hat eine zweite Chance verdient. Es ist nur so … Scheiße,
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