Ewiges Blut - ein Vampirroman (German Edition)
verfolgte eigentlich kein bestimmtes Ziel an diesem Abend, denn er war gesättigt. Er mischte sich einfach unter das Volk, mit dem Gedanken, etwas wirklich Besonderes zu sein. Er war ein Außenseiter, doch diese Rolle gefiel ihm bis jetzt.
Langsam schlenderte er an einem roten Telefonhäuschen vorbei und warf einen Blick in sein Inneres. Der kurze Blick genügte, und er spürte, wie seine Nackenhaare sich sträubten. Rasch ging er vorbei, denn der Mann, der in der Telefonzelle stand und hastig in den Hörer sprach, war Joey Wilder.
Brian schluckte in blindem Zorn. Er erkannte die Stimme des Mannes, der ihn gepeinigt hatte und war versucht, zurückzukehren, um ihn umzubringen. Doch stattdessen verbarg er sich hinter der Ecke eines hohen, ehemals weißen Wohnhauses und wartete. Er konnte das Gespräch ohne Schwierigkeiten mitverfolgen, doch es war wenig aufschlußreich.
»Mr. Clairley, warum wollen Sie jetzt alles überstürzen? Sie sind doch erst gerade angekommen.«
»Ich habe mit Ripley gesprochen, und der hat mir einen schnellen Kontakt zugesichert. Ich habe Informationen, von denen Sie nur träumen.«
»Ja, ich weiß. Ich ... ähm ... ich fühle mich beobachtet. Wir sollten uns treffen. Kennen Sie ...«
Joey nannte die Adresse, und Clairley erklärte sich damit einverstanden. Gespannt beobachtete Brian, wie Joey schließlich das Telefonhäuschen verließ und eilig die Straße hinunterging. Brian folgte ihm in einigem Abstand. Er kannte die Adresse, die Joey genannt hatte, nicht genau, daher mußte er an ihm dranbleiben, so unauffällig, daß Joey keinen Verdacht schöpfte.
Joey hielt ein Taxi an und stieg dann rasch ein, denn offensichtlich fühlte er die Bedrohung, die er jedoch noch nicht richtig ausmachen konnte. Brian hatte keine Mühe, dem Taxi zu folgen.
Die Fahrt ging quer durch London über den Kingsway bis nach Blackfriars. Dort stieg Joey aus. Lautlos schlich Brian ihm nach. Was wollte er nur so Wichtiges besprechen? Brian erinnerte sich an den Namen des Mannes – Clairley. War das nicht der Name des alten Vampirjägers?
Brian sah, wie Joey sich in ein dunkles, leicht verfallenes Gebäude hineinstahl. Er umrundete dieses und suchte nach einem geeigneten Fenster. Schließlich fand er eins und schwebte ein Stück nach oben. Mit einer Hand hielt er sich an dem abbröckelnden Fenstersims fest und lauschte. Die Stimmen näherten sich, und plötzlich wurde das Licht in eben diesem Raum eingeschaltet. Brian lukte durch das Fenster. Er erkannte Joey in Begleitung eines etwa vierzigjährigen Mannes mit schütterem dunkelblonden Haar.
Das mußte Clairley sein, dachte Brian und wechselte die Hand, mit der er sich festhielt.
»Sie wissen doch, wer mein Vater war«, sagte der Mann mit dem schütteren Haar jetzt ungeduldig.
Joey nickte. »Natürlich, aber das bringt Ihnen doch keine Sonderrechte ein. Unsere Organisation ist auf Diskretion bedacht. Wir prüfen unsere Informanten eingehend, und bis jetzt sind Sie eben nur ein Informant. Ihr Vater hat mit der Veröffentlichung seines Buches einen großen Fehler gemacht. Wir können nur froh darüber sein, daß er unsere Organisation nicht genannt hat.«
»Aber er wußte mehr über die Vampire, als ihr alle zusammen«, verkündete Clairley großspurig. »Und dieses Wissen hat er mir vermacht. Verstehen Sie das nicht? – Ich muß diese Frau kennenlernen.«
Joey starrte ihn durchdringend an. »Bitte?«
»Sie wissen ganz genau, was ich meine. Ich bin bereit mit Ihnen zusammenzuarbeiten, doch sicher nicht in der letzten Reihe – als bloßer Befehlsempfänger. Ich habe die Tagebücher meines Vaters genau gelesen und weiß jetzt alles, was ich wissen muß.« Zornesröte war Clairley ins Gesicht gestiegen.
Joey zuckte mit den Schultern. »Beruhigen Sie sich erstmal. Ich kann das nicht entscheiden. Aber ich werde Ripley kontaktieren. Er wird diese Entscheidung fällen.«
»Ist er auch hier?« fragte Clairley erstaunt.
Joey sah ihn durchdringend an. »Sein Aufenthaltsort ist geheim. Er ist schließlich der Leiter unseres Quartiers in Philadelphia. Ich schlage vor, daß wir uns hier wieder treffen – in einer Woche, gleiche Zeit.«
Joey wandte sich zum Gehen. An der Tür drehte er sich noch einmal um.
»Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt in London. Halten Sie sich im Hintergrund.«
Clairley nickte leicht und sah zu, wie Joey Wilder die Tür hinter sich schloß. Brian ließ sich zu Boden fallen und kam leicht wie eine Katze auf den Beinen auf.
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