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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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ihren Inhalt nicht kennen, werden wir es nicht erfahren.«
    »Ich nehme an«, sagte Auger, »dass Susan sich ziemlich schnell eine Meinung über diese Zeitlinie gebildet hat. Sie hätte nicht besonders lange gebraucht, um festzustellen, dass es sich nicht um unser 1959 handelt. Was war es also, was sie noch interessiert hat?«
    »Susan hat immer weiter gebohrt«, sagte Skellsgard. »Es hat ihr nicht genügt, einfach ihren Bericht abzugeben und nicht weiter zu fragen, was hier geschehen war. Sie wollte Antworten auf ihre Fragen. Sie wollte wissen, wer diesen Ort erschaffen hat und warum. Sie wollte den genauen Zeitpunkt in Erfahrung bringen, an dem sich dieser Geschichtsverlauf hier von unserem abgespalten hat, und sie wollte auch wissen, warum es dazu gekommen ist. War es eine chaotische Ansammlung kleiner Veränderungen, eine Art Schneeball- oder Schmetterlingseffekt, oder hat eine einzige, bewusste Intervention die Geschichte verändert? Und wenn, wer war dafür verantwortlich? Und wenn es jemand getan hat, arbeitet dieser Jemand immer noch hinter den Kulissen und nimmt Einfluss?«
    »Womit wir wieder bei Ihrer Theorie einer gehemmten Entwicklung wären.«
    »Die Sache ist die, Auger: Wenn hier jemand hinter den Kulissen tätig ist – aus welchem Grund auch immer –, dann ist er wahrscheinlich nicht allzu glücklich über Susans Nachforschungen gewesen.«
    »Sie war Archäologin«, sagte Auger. »Wir Archäologen forschen eben.«
    »Dagegen lässt sich kaum etwas sagen«, erwiderte Skellsgard.
    Bei Saint-Germain-des-Prés nahmen sie die Linie 4 nach Montparnasse-Bienvenue und stiegen dort in die Hochbahn Nummer 6 um, die in Richtung Westen über die Dächer nach Dupleix fuhr. Die Bahn war gerammelt voll mit Menschen auf dem Weg zur Arbeit, die in langen grauen Regenmänteln im Gang standen und die Nase in der Morgenzeitung vergraben hatten. Niemand achtete auf die Aussicht aus den Fenstern. Auger hingegen konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, mit offenem Mund auf das draußen vorbeiziehende, bis in alle Einzelheiten makellose Panorama der Stadt zu starren. Paris war gleichzeitig genauso, wie sie es sich vorgestellt hatte und ganz anders als erwartet. Die alten Fotografien vermittelten nur einen winzigen Teil. Die Szene hatte eine menschliche Qualität, die diese Bilder einfach nicht transportiert hatten – genauso wenig wie ein Schwarzweißdruck Farben vermitteln konnte. Überall in den verwinkelten, sich kreuzenden Straßen stieß ihr Blick auf Menschen, die ihrem Tagewerk nachgingen, und es war gleichzeitig wunderbar und erschreckend, sich vorzustellen, dass sie ein eigenes Leben hatten, ihre eigenen Träume und verpassten Gelegenheiten – und keine Ahnung, was sie wirklich waren. Ein voyeuristischer Schauder überlief Auger. Jedes Mal, wenn die Gefahr bestand, dass jemand ihrem Blick begegnete, wandte sie schuldbewusst die Augen ab.
    Am Dupleix stiegen sie aus und gingen eine Gittertreppe zur Straße hinab. Sie folgten der Lourmel, bis sie auf die Emile Zola trafen, bogen ab und erreichten ein fünfstöckiges Haus aus hellem Stein, das sich als das Hôtel Royale auswies.
    »Man hat Ihnen hier für drei Tage ein Zimmer gebucht«, erklärte Skellsgard, als sie den Teppichboden der Eingangshalle betraten. »Aber wahrscheinlich sind Sie schon viel früher wieder draußen. Wenn Sie länger bleiben müssen, haben Sie mehr als genug Bargeld, um Ihre Ausgaben zu decken.«
    An der Rezeption empfing der Portier gerade ein Paar, das mit dem Nachtzug eingetroffen sein musste. Die beiden wirkten aufgebracht und schienen sich um irgendein Detail ihrer Buchung zu streiten.
    »Versprechen Sie mir eines«, sagte Auger.
    »Ich versprechen nie etwas, aber lassen Sie hören.«
    »Wenn die Sache funktioniert – wenn ich Ihre kostbare Dose in Sicherheit bringe – dann lassen Sie mich noch eine Weile allein hier bleiben.«
    »Ich weiß nicht recht …«
    »Ich bin ohnehin schon hier, Maurya. Was kann es schaden?«
    »Das wird Aveling nicht gefallen.«
    »Aveling kann es sich sonstwohin stecken. Das Mindeste, was er mir zugestehen kann, ist ein bisschen Zeit als Touristin.«
    »Er wird sagen, dass Ihnen schon das Tribunal erspart blieb. Das war der Handel.«
    Das Paar entfernte sich Richtung Aufzug, und der Portier winkte Auger und Skellsgard zur Rezeption. Auger zwang sich, auf Französisch umzuschalten. Die Worte kamen überraschend fließend, als wäre ein eingerosteter Teil ihres Verstands plötzlich geölt und neu

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