EwigLeid
frei sein. Frei, um Nora zu werben und sein Leben mit ihr zu teilen.
Nicht mehr als eine Stunde war vergangen, seit die Polizisten sich verabschiedet hatten, aber je länger Brad Nora beobachtete, desto aufgeregter wurde er. Er hatte so lange darauf gewartet, mit ihr zusammen sein zu können, und jetzt, da seine Narben verschwunden waren, da Tony nicht mehr da war, konnte sie nichts mehr voneinander fernhalten.
Was konnte es schon schaden, wenn er jetzt mit ihr redete? Ihr seine Liebe gestand, damit sie sich nicht so allein fühlte?
Nur noch ein paar Gäste hielten sich im Café auf. Als Brad zu Nora ging, erkannte er die Verwüstungen, die der Schmerz in ihrem Gesicht angerichtet hatte. Ihr Teint war fleckig, die Augen waren rot und glasig vom Weinen. Als er sie begrüßte, sah sie ihn verwirrt an, als würde sie ihn gar nicht erkennen.
Trotzdem behielt er seine Zuversicht, setzte sich zu ihr und ergriff ihre Hände. Es war so ungewohnt, sie endlich berühren zu können. „Was ist passiert?“
Sie antwortete nicht, und er rückte näher an sie heran.
„Was ist los, Nora?“
„Tony … Tony ist tot.“ Ihre Lippen zitterten, als sie sprach.
Brad gab sich schockiert. „Der Junge, mit dem du lernst? O mein Gott. Wie schrecklich. Was ist passiert?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ermordet. Sie sagen, er ist ermordet worden. Von irgendeinem Psychopathen.“
Brad verbiss sich einen wütenden Aufschrei. Natürlich bezeichnete die Polizei ihn als Psychopathen. Das mussten sie tun, um ihre eigene Inkompetenz irgendwie zu verschleiern.
„Sie haben mir ihre Karten gegeben … und die Karte einer Psychologin, mit der sie zusammenarbeiten …“ Nora wies auf die Karten, die auf dem Tisch lagen. „Ich soll sie anrufen, wenn mir noch etwas einfällt …“ Ihr Gesicht fiel wieder in sich zusammen, und sie weinte leise. „Ich kann es nicht fassen. Ich kann nicht fassen, dass er tot ist. Er war so … schön. So ein toller Mensch.“
Brad dachte an das letzte Mal, als er Tony gesehen hatte. Wie er geschrien und gewimmert hatte, als er ihn zerstückelte. Das Entsetzen war wahrhaftig toll gewesen. Er drückte Noras Hand. „Du bist so viel schöner als er, Nora. Das finde ich schon lange. Ich helfe dir, ihn zu vergessen.“
Nora sah ihn fassungslos an. Dann wurde sie rot und entzog ihm ihre Hände. Ihre Miene wurde starr; sie stand auf und stopfte mit heftigen Bewegungen ihre Bücher in den Rucksack.
„Hab keine Angst. Ich liebe dich. Ich werde dir nie wehtun, wie er es getan hat …“
Nora hielt inne und sah ihn verwirrt an. „Mir wehgetan? Tony hat mir niemals wehgetan! Er war perfekt. Ein wunderbarer Mensch.“
Eifersüchtig starrte er sie an. „Perfekt? Findest du? Hat er deswegen hinter deinem Rücken über dich gelacht? Das würde ich nie tun. Ich habe Achtung vor dir. Ich habe auf dich gewartet. Dich nie aus den Augen gelassen.“
Nora wurde blass, und Brad schämte sich dafür, dass er so über sie herfiel. Er griff nach ihrer Hand, doch sie zuckte zurück, als hätte er sie geschlagen.
„Du hast mich nie aus den Augen gelassen? Was … was soll das heißen? Was meinst du damit, dass Tony hinter meinem Rücken über mich gelacht haben soll? Warum sagst du das?“
„Es ist die Wahrheit. Für ihn warst du eine Witzfigur. Er hat dich nicht so geliebt, wie ich dich liebe.“
Nora riss die Augen auf. „Wie du mich liebst? Du bist verrückt!“
Brad starrte sie an und ballte die Hände zu Fäusten. „Nenn mich nicht verrückt.“ Er schüttelte den Kopf, streckte eine Hand nach Nora aus. Er zitterte. „Ich bin nicht verrückt. Ich liebe dich …“
„Fass mich nicht an!“ Sie wich zurück, schnappte sich ihre Sachen und bemerkte die Karten auf dem Tisch. Sie hob sie auf und warf Brad eine zu. „Da. Das brauchst du mehr als ich. Suche dir Hilfe!“
Nora rannte davon, und in diesem Moment fiel Brad das verdutzte Schweigen im Café auf. Sämtliche Gäste sahen ihn an, teils mehr oder weniger erschrocken, teils belustigt. Brad errötete beschämt unter ihren Blicken. Er berührte sein Gesicht und meinte, dass die Haut sich plötzlich rau anfühlte. Entstellt.
Er hob die Karte auf, die Nora ihm zugeworfen hatte. Als er sich wieder aufrichtete und zurücktrat, stolperte er gegen einen Tisch und über einen Stuhl. Er hastete in den Waschraum, schlug die Tür zu und verriegelte sie. Das Herz wollte seine Brust sprengen, und voller Angst blickte er in den Spiegel.
Es war schwach, kaum sichtbar,
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